Im November hätten sich die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern im Gemeinsamen Terror-Abwehrzentrum mit dem Mann befasst, er sei als "Gefährder" eingestuft worden. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere machte zu dem Verdächtigen keine Angaben und betonte, es handele sich nicht zwingend um den Attentäter. Der Mann sei seit Mittwoch um Mitternacht in Deutschland und über das Schengensystem in Europa zur Fahndung ausgeschrieben.

Unter dem Fahrersitz in dem Lastwagen, der am Montag in die Menschenmenge auf dem Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert worden war, wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen eine Duldungsbescheinigung aus Nordrhein-Westfalen auf den Namen Anis A. gefunden. Der Mann werde als "brandgefährlich" eingestuft. Laut Jäger reiste der Mann wohl im Juli 2015 nach Deutschland ein. Schon im Sommer habe der abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollen, doch fehlten die dafür notwendigen Pass-Ersatzpapiere der tunesischen Behörden. Diese seien nun am Mittwoch eingetroffen. Seit Februar habe sich der Verdächtige vor allem in Berlin aufgehalten und nur für kurze Zeit in NRW. Verschiedenen Sicherheitsbehörden sei er mit Kontakten zur Salafisten-Szene aufgefallen. Er habe verschiedene Alias-Identitäten benutzt.

Nach Informationen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR ist er 23 Jahre alt und unterhielt Kontakte zum Netzwerk des unlängst verhafteten Predigers Abu Walaa, der auch als die Nummer Eins des IS in Deutschland bezeichnet wird. Der Mann soll in einer Asylunterkunft im nordrhein-westfälischen Emmerich gemeldet gewesen sein. Auf der Suche nach dem Verdächtigen wurden dem RBB zufolge am Mittwoch sämtliche Krankenhäuser in Berlin und Brandenburg abgesucht. Hintergrund sei, dass es im Fahrerhaus vor dem Anschlag einen Kampf gegeben haben soll. Die Polizei gehe davon aus, dass der Täter dabei verletzt worden sei.

Der nach dem Anschlag vom Montagabend zunächst festgenommene Pakistaner war am Dienstagabend aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen worden. Die Ermittler zeigten sich aber zuversichtlich, dass es bald Fahndungserfolge geben werde. De Maiziere wollte keine Details zur gesuchten Person nennen und verwies darauf, dass eigentlich zunächst eine "verdeckte Fahndung" vorgesehen gewesen sei. Es werde weiter in alle Richtungen ermittelt, und alle Spuren würden verfolgt. "Das Ergebnis zählt und nicht die Schnelligkeit und Spekulationen."

POLIZISTEN MIT MASCHINENPISTOLEN VOR WEIHNACHTSMÄRKTEN



Der Täter war am Montagabend mit einem gekaperten Schwerlaster in eine Budengasse des Weihnachtsmarktes an der Gedächtniskirche gerast. Er tötete dabei elf Menschen, 45 Personen wurden laut Bundesanwaltschaft verletzt, davon 30 schwer. Der Senat teilte mit, in Berliner Kliniken würden noch zwölf Patienten behandelt, die beim Anschlag auf den Breitscheidplatz schwerste Verletzungen erlitten hätten. Einige Personen befänden sich weiter in einem kritischen Zustand. Der Lkw-Fahrer flüchtete nach der Tat. Den Anschlag hat die Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) für sich reklamiert. Allerdings konnte die Echtheit der Botschaft bislang nicht unabhängig bestätigt werden.

Politiker warnten nach dem Anschlag vor Panik. "Ich glaube, man muss keine Angst haben", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller im ZDF. "Es wäre ja jetzt fatal, wenn man sich einschließt und nicht mehr rausgeht." Berlins Hotels und Einzelhändler sowie die Bahn berichteten weiter von einer starken Buchungsnachfrage über Weihnachten und Silvester für Berlin.

In der Hauptstadt öffneten die mehr als 60 Weihnachtsmärkte am Mittwoch wieder, die am Tag zuvor mit Rücksicht auf die Opfer und Angehörigen des Anschlags geschlossen geblieben waren. Die Polizei hat angekündigt, vor allen großen Märkten Betonbarrieren zu errichten. Auch sollten Polizisten mit Maschinenpistolen und Schutzwesten im Bereich der Eingänge postiert werden.

In allen Bundesländern werde die Polizeipräsenz erhöht und der Schutz der Weihnachtsmärkte verstärkt, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon, der "Passauer Neuen Presse". Es werde mehr Streifen geben und die Maschinenpistolen seien am Mann. "Mit querstehenden Fahrzeugen wollen wir die Zugänge zu den Märkten erschweren", sagte der saarländische Innenminister.

Das Bundeskabinett verabschiedete einen Gesetzentwurf von de Maiziere, mit dem die Videoüberwachung etwa in Einkaufszentren, Sportstätten, auf Parkplätzen sowie in Bussen und Bahnen leichter möglich werden soll. Allerdings handelte es sich nicht um eine direkte Reaktion auf den Anschlag.

CSU-POLITIKER LEGEN BEI KRITIK AN FLÜCHTLINGSPOLITIK NACH



Nach CSU-Chef Horst Seehofer forderte auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann eine Überprüfung der Flüchtlingspolitik. Der CSU-Politiker verwies im Deutschlandfunk etwa auf die islamistischen Hintergründe der Attentate von Ansbach und Würzburg und erklärte, die Täter seien "im Rahmen des Flüchtlingsstroms" nach Deutschland gekommen. "Die Risiken sind offenkundig", mahnte Herrmann. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte im ZDF, es gehe darum, Sicherheit und Zuwanderung in Verbindung zu bringen.

Auch in der CDU gibt es die Bereitschaft, die Sicherheitsgesetze zu verschärfen. "Dort, wo weiterer Handlungsbedarf besteht, wollen wir entschlossen handeln", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Harbath, der Nachrichtenagentur Reuters. In CDU-Bundesvorstandskreisen hieß es, die Daten aller verdächtigen Personen müssten europaweit abgeglichen und alle Einreisenden nach Deutschland "genau sicherheitsrelevant" erfasst werden. Allerdings mahnte Harbath wie zuvor auch de Maizière an, vor Entscheidungen zunächst die Ermittlungsergebnisse abzuwarten.

rtr