Die EZB bestätigte nach der Zinssitzung in Frankfurt zudem, dass sie ihre Schlüsselsätze noch bis mindestens über den Sommer 2019 hinaus nicht antasten will. Der Leitzins zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.
Ökonomen und Wirtschaftsvertreter sagten dazu in ersten Reaktionen:
HELMUT SCHLEWEIS, SPARKASSEN-PRÄSIDENT:
"Die EZB hat sich trotz aller Unsicherheiten rund um den Brexit, die italienische Finanzpolitik, die Proteste in Frankreich und die Aktienmarkt-Turbulenzen nicht von dieser Weichenstellung abbringen lassen. Das begrüßen wir. Zwar sind die Aussichten für Preise und Wachstum im Euro-Raum gemessen an den neuen Prognosen der EZB ein wenig verhaltener. Doch sind sie nicht so schlecht, dass sie der heutigen ersten vorsichtigen Normalisierung der weiterhin sehr expansiven Geldpolitik im Wege gestanden hätten."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT BANKHAUS LAMPE:
"Die EZB hat heute geliefert und den Deckel auf ihre ultra-lockere Geldpolitik gesetzt. Nachdem das Ende der Netto-Wertpapierkäufe nun besiegelt ist und Anlass für Liquiditätssorgen nicht besteht, richtet sich der Blick fortan auf den Zeitpunkt der Leitzinswende. Trotz aufziehender Wolken am Konjunkturhimmel bleibt diese für September 2019 im Visier. So oder so: Die Liquiditätsbedingungen werden noch deutlich länger äußerst günstig bleiben."
FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW-INSTITUT:
"Der Beschluss zum Ende der Anleihekäufe war überfällig. Die lange Zögerlichkeit der EZB hat letztlich zu einem sehr schlechten Timing geführt. Der EZB-Rat beendet die Staatsanleihekäufe jetzt zu einem Zeitpunkt, in dem sich die konjunkturelle Perspektive der Euro-Zone bereits wieder rasant verdunkelt. Das bedeutet, dass mit einem Abbau der Anleihebestände in der Zentralbank-Bilanz auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden kann. Es ist eher wahrscheinlich, dass der heutige Beschluss nur eine Unterbrechung der Käufe bedeutet.
Gerade nach dem kritiklosen Persilschein des Europäischen Gerichtshofs für das Kaufprogramm dürften mit jeder Hiobsbotschaft zur Konjunktur die Spekulationen um eine erneute Aktivierung des Programms 2019 rasch zunehmen. Die EZB geht in den nächsten Konjunkturabschwung ohne irgendwelchen Spielraum bei den konventionellen geldpolitischen Instrumenten. Umso mehr wird sie sich weiter aus dem hochproblematischen Arsenal der unkonventionellen Geldpolitik bedienen müssen. Die Grenzen zwischen Geldpolitik und Staatsfinanzierung werden in der Euro-Zone weiter verschwimmen. Über diese Entwicklung können sich eigentlich nur populistische Regierungen mit hohen Staatsdefiziten freuen."
HANS-WALTER PETERS, BANKENPRÄSIDENT :
"Die Entscheidung der EZB, die Nettokäufe zum Jahresende endgültig einzustellen, war überfällig. Leider bremst die EZB damit ihren geldpolitischen Krisenmodus nur, stoppt ihn aber nicht. Sie verhält sich nach wie vor zu zögerlich. Die europäischen Währungshüter sollten deshalb zügig nachlegen und zeitnah einen Fahrplan für das Ende der Negativzinsen präsentieren. Denn: Der negative Einlagenzins der EZB birgt im besonderen Maße Risiken, insbesondere verzerrte Risikopreise und fehlgelenkte Investitionen. Zudem behindert er substanziell alle Bestrebungen, die Bank-Bilanzen zu stärken. Für die Banken im Euro-Raum wirken die Negativzinsen wie eine Sondersteuer, die sie bereits mit rund 20 Milliarden Euro belastet haben. Die Sorge, dass ein Ende der Negativzinspolitik die langfristigen Zinsen im Euro-Raum kräftig nach oben treiben könnte, teile ich nicht."
UWE BURKERT, LBBW-CHEFVOLKSWIRT:
"Alle warten auf das Christkind, die EZB verschiebt die Bescherung. Sie hält sich alle Möglichkeiten offen, aber möchte ihr Szenario nicht vorzeitig aufgeben. Das zeigt die Fortführung der Wiederanlage der fällig werdenden Anleihen, die über die Zinserhöhung hinaus gehen soll. Damit verlängert sich dieses Programm um mindestens ein Jahr. Das komplette Jahr 2019 werden die Fälligkeiten wieder angelegt, vermutlich auch noch darüber hinaus. Vielleicht hat die Beweglichkeit der italienischen Regierung dabei geholfen."
rtr