Damit sie rechtzeitig in Kraft treten kann, wurde die Sondersitzung des Kabinetts anberaumt. Bundestag und Bundesrat sollen in Sondersitzungen am 29. Juni grünes Licht geben.

Die Mehrwertsteuersenkung ist der größte Brocken im Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz, das am Freitag das Kabinett passierte. Darin enthalten sind auch der Kinderbonus und weitere steuerliche Maßnahmen. Weiteres Thema war das 25-Milliarden-Paket an Überbrückungshilfen für den Mittelstand. Auch die Reform der Kfz-Steuer, die sich künftig hauptsächlich nach dem Kohlendioxid-Ausstoß bemisst, wurde dem Kabinett vorgelegt.

NACHTRAGSETAT MIT NEUEN SCHULDEN NÄCHSTE WOCHE


Wie das Konjunkturpaket, das Finanzminister Olaf Scholz auf insgesamt 130 Milliarden Euro beziffert, finanziert wird, ist erst Thema der regulären Kabinettssitzung am kommenden Mittwoch. Dann soll der zweite Nachtragsetat auf den Weg gebracht werden. Nach Reuters-Informationen will der Bund dafür "deutlich mehr als 30 Milliarden Euro" zusätzliche Schulden aufnehmen - im Gespräch sind bis zu 50 Milliarden. Zusammen mit der Neuverschuldung aus dem ersten Nachtragsetat in Höhe von 156 Milliarden Euro im März könnte also die Marke von 200 Milliarden Euro übertroffen werden. Es ist nicht nur das erste Mal seit 2013, dass der Bund überhaupt unter dem Strich neue Schulden aufnimmt - sondern auch die Höhe setzt eine Rekordmarke.

"Wir wollen aus der Krise raus mit voller Kraft", rechtfertigt Scholz (SPD) in einer Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier das Paket. Der CDU-Politiker sichert das Bemühen zu, dass aus dem von Scholz geforderten Wumms "nicht versehentlich ein Bumms wird, bei dem die Dynamik verpufft, bevor sie wirksam geworden ist". Weitere Teile des Konjunkturpakets folgen: Die von CDU, CSU und SPD vereinbarten "Zukunftsinvestitionen" - etwa in Elektromobilität, eine Wasserstoffstrategie, Ausbau Erneuerbarer Energien - sollen mit dem Nachtragsetat auf den Weg gebracht werden.

ZWEITES CORONA-STEUERHILFEGESETZ


Mit den Steueränderungen will die Regierung unter anderem den Konsum ankurbeln, um die Wirtschaft nach dem Einbruch als Folge der Virus-Krise wieder anzuschieben. Dazu sollen vor allem die Mehrwertsteuersenkung und der Kinderbonus beitragen. Andere Änderungen sollen Unternehmen helfen, Engpässe bei der Liquidität zu überbrücken - etwa indem sie absehbare Verluste mit Steuervorauszahlungen von 2019 verrechnen und so jetzt bereits Steuererstattungen ausgezahlt bekommen.

- Die Mehrwertsteuer wird vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 von 19 auf 16 Prozent gesenkt, im ermäßigten Tarif von sieben auf fünf Prozent. Die Steuerausfälle beziffert das Finanzministerium auf knapp 20 Milliarden Euro. Der Bund will sie alleine schultern. Länder und Kommunen erhalten daher mehr Geld aus dem Finanzausgleich.

- Eltern erhalten für jedes Kind eine Bonuszahlung von 300 Euro. Ausgezahlt wird der Bonus im September und Oktober mit dem Kindergeld in zwei Tranchen von 150 Euro.

- Der Steuerentlastungsbetrag für Alleinerziehende wird für zwei Jahre von 1908 Euro auf 4008 Euro angehoben.

- Die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer wird um sechs Wochen auf den 26. des zweiten auf die Einfuhr folgenden Monats verschoben. Dies führt zu mehr Liquidität in den Unternehmen und zu einer Angleichung an die Praxis in anderen EU-Staaten.

- In der Einkommensteuer können Einnahmeverluste pauschal rückwirkend geltend gemacht werden: 30 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte, die für die Vorauszahlungen 2019 zugrundegelegt wurden, können als Verlustrücktrag gemeldet werden. Der Betrag ist bei fünf Millionen Euro gedeckelt bei Einzelveranlagung. Bisher liegt die Grenze bei einer Million Euro. Durch die Ausweitung des Verlustrücktrages kommt es zu Steuerstattungen, die sonst erst 2021 geltend gemacht werden könnten. Die Neuregelung wird auf die Steuerjahre 2020 und 2021 befristet.

- Für zwei Jahre wird die degressive "Abschreibung für Abnutzung" für bewegliche Wirtschaftsgüter wieder eingeführt. Für 2020 und 2021 angeschaffte oder hergestellte Güter können bis zu 25 Prozent abgeschrieben werden, höchstens das 2,5-fache der linearen Abschreibung.

- Das Dienstwagenprivileg wird für Elektroautos ausgeweitet. Zur Steigerung der Nachfrage können die Steuervorteile für Dienstwagen bis zu einem Bruttolistenpreis von 60.000 Euro geltend gemacht werden. Die günstige monatliche Versteuerung von 0,25 Prozent des Listenpreises ist derzeit auf E-Autos mit einem Fahrzeugpreis von bis zu 40.000 Euro begrenzt. Für herkömmliche Autos werden 1,0 Prozent vom Preis versteuert.

- Für die steuerliche Forschungszulage wird die Bemessungsgrundlage rückwirkend ab Jahresanfang 2020 bis Ende 2025 auf bis zu vier Millionen Euro erhöht. Davon können Unternehmen ein Viertel als Zulage erhalten - also bis zu eine Million Euro pro Jahr und damit doppelt soviel wie bisher.

- Unabhängig von der Virus-Krise wird mit dem Paket auch die Verjährungsfrist für schwere Steuerhinterziehung von 20 auf 25 Jahre verlängert. Damit soll Staatsanwälten mehr Zeit verschafft werden für Ermittlungen im Cum-Ex-Steuerskandal.

ÜBERBRÜCKUNGSHILFEN


Altmaier brachte die Eckpunkte für Überbrückungshilfen ins Kabinett ein. Bis zu 25 Milliarden Euro sind für die Monate Juni bis August für kleine und mittelständische Firmen vorgesehen - wenn sie einen Umsatzeinbruch als Folge der Pandemie nachweisen können. Davon sollen unter anderem Reisebüros, Schausteller, Clubs und Bars profitieren, die besonders stark angeschlagen sind.

KRAFTFAHRZEUGSTEUER


Die Kfz-Steuer für Neuwagen soll sich stärker nach dem CO2-Ausstoß richten. Daher werden große Spritschlucker wie SUVs stärker belastet, die CO2-Komponente steigt je nach Ausstoß in fünf Stufen. In der höchsten steigt dieser Teil gegenüber der heutigen Regelung zwar um das Doppelte. Dennoch traf der Reformvorschlag bei Umweltverbänden und im Umweltressort auf Kritik. Kurzfristig wurde noch eine Entlastung für klimafreundlichere Kleinwagen von 30 Euro pro Jahr beschlossen. E-Autos werden bis 2030 ganz von der Steuer befreit.