Die EU-Kommission, die die Verhandlungen für die 27 EU-Staaten führte, warnte die britischen Abgeordneten vor einer Ablehnung. Behördenchef Jean-Claude Juncker stellte klar, es werde keine Alternative zum Brexit-Vertrag und auch keinen besseren Deal geben, sollte das jetzige Abkommen im Parlament nicht angenommen werden. Wer etwas anderes erwarte, werde enttäuscht. Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, forderte das Königreich auf, das ausgehandelte Abkommen zu ratifizieren. Es sei eine faire und ausgewogene Einigung. Es sei der bestmögliche Deal.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es sei ein historischer EU-Gipfel gewesen und ein historischer Tag, der bei ihr zwiespältige Gefühle ausgelöst habe. Der Austritt sei "tragisch". Es sei gut, das man nun den Ausstiegsvertrag habe. "Wir haben aus Sicht der EU 27 jetzt eine Grundlage für eine geordnete Trennung und den Aufbau künftiger Beziehungen."

Auch die britische Premierministerin Theresa May warb um Unterstützung. "Der Deal ist gut für die Wirtschaft." Jetzt werde das Parlament darüber entscheiden, ob es mehr Unsicherheit gebe oder das Land voranschreiten könne. Der britische Außenminister Jeremy Hunt sagt der BBC, es werde eine Herausforderung, den Deal durchs Parlament zu bekommen. Der Ausgang in London ist ungewiss, weil im Unterhaus nicht nur Teile der sozialdemokratischen Labour-Opposition gegen das Abkommen stimmen, sondern auch Parlamentarier ihrer eigenen Tories und der nordirischen DUP. Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte an, seine Partei wolle im Parlament gegen den Brexit-Plan stimmen. Er sprach von gescheiterten Verhandlungen. "Das ist ein schlechter Deal für unser Land."

Bundesaußenminister Heiko Maas hofft "auf ein verantwortungsvolles Handeln im britischen Parlament, denn noch ist nichts in trockenen Tüchern". Ein ungeregelter Ausstieg Großbritanniens aus der EU wäre das schlechteste aller Szenarien, sagt er in einem Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Europäische Union hat für den Fall einer Ablehnung des Brexit-Ausstiegsvertrags durch das britische Parlament nach Aussagen eines hochrangigen Vertreters keinen Plan B in der Schublade. Die einzige Strategie für den Fall eines Scheiterns sei die Vorbereitung auf einen chaotischen Ausstieg Großbritanniens aus der EU, sagt der EU-Vertreter. "Diese Arbeit geht weiter."

Die deutsche Wirtschaft zeigte sich beunruhigt. Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauerverbands VDMA, sagte, er befürchte, "dass viele Brexit-Fans in Großbritannien noch immer nicht verstehen, dass der vorliegende Deal die letzte Chance auf einen halbwegs glimpflichen Ablauf des EU-Austritts ist". Sein Verband rate den Unternehmen daher, sich weiter "auf einen chaotischen Brexit" vorzubereiten. Für die Chemiebranche erklärte VCI-Lobbyist Utz Tillmann: "Scheitert die Ratifizierung, gibt es einen ungeregelten Brexit ohne die für die Wirtschaft dringend notwendige Übergangsphase." Der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sieht nach wie vor ein beachtliches Risiko, "dass es zu einem ungeordneten, harten Brexit kommt". Die Lage im Unterhaus sei unübersichtlich, schreibt er in einem in Auszügen vorab veröffentlichten Gastbeitrag für das "Handelsblatt".

"NIEMAND GEWINNT ETWAS, WIR VERLIEREN ALLE"



Unterzeichnet wurde in Brüssel der knapp 600 Seiten dicke Ausstiegsvertrag, der die Regeln für das Ende der britischen Mitgliedschaft nach 45 Jahren juristisch verbindlich festlegt. Daneben wurde eine Erklärung zu den künftigen Beziehungen der EU und Großbritanniens nach dem Brexit verabschiedet. Die Briten hatten im Sommer 2016 in einem Referendum mit knapper Mehrheit für das Ausscheiden gestimmt.

Für die EU ist der Abschied ein schwerer Schlag. Wegen des schlagkräftigsten Militärs und der globalen Aufstellung durch die imperiale Vergangenheit war London immer ein wichtiger Partner. Und die wirtschaftsfreundliche Regierung bildete in der EU ein Gegengewicht zu den in solchen Fragen mehr zu Staatseingriffen neigenden Franzosen. Das Königreich ist die zweitgrößte Wirtschaft in der Union nach Deutschland. "Niemand gewinnt etwas, wir verlieren alle", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte.

rtr