Der italienische Vize-Regierungschef Luigi Di Maio kündigte an, sich mit der EU an einen Tisch setzen und verhandeln zu wollen. "Wir sind ein ernsthaftes Land und halten unser Wort." Anleger ergriffen derweil die Flucht und trennten sich von italienischen Aktien.

Dem Land droht theoretisch eine Milliardenbuße. Die EU-Kommission kann Regierungen abstrafen, die die Stabilität der Euro-Zone mit ihren 19 Mitgliedern gefährden. Offiziell eingeleitet ist das neue Disziplinarverfahren noch nicht. Dafür müssen als nächstes die Mitgliedsstaaten zustimmen. Danach wäre die Kommission wieder am Zug. Am Ende stünde eine hohe Geldstrafe. So weit ist es aber noch nie gekommen.

Italien hat sich in den vergangenen Jahren zum Dauer-Problem für Brüssel entwickelt. Das Land steht mit 2,3 Billionen Euro in der Kreide. Daran nimmt die Kommission nun Anstoß. Die Verschuldung habe voriges Jahr 132,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht und lag damit weit über der Obergrenze von 60 Prozent. Zugleich sei der Regierung der zugesagte Schuldenabbau nicht im versprochenen Ausmaß gelungen. Da zudem die Wirtschaft langsamer wachse, werde sich das Verhältnis von Schulden zu BIP 2019 auf 133,7 und 2020 auf 135,2 Prozent verschlechtern. "Wir sehen bei der italienischen Wirtschaft die Schäden der jüngsten Entscheidungen", sagte Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis.

KOMMISSAR "BEREUT NICHTS"


In Italien regiert seit Sommer 2018 eine Koalition aus der weit rechts stehenden Lega und der linkspopulistischen 5-Sterne-Bewegung. Das Land entkam Ende 2018 knapp einem Defizit-Strafverfahren aus Brüssel. Die Kommission stimmte einer Beilegung unter Bedenken zu und hatte seinerzeit schon Zweifel an der Belastbarkeit der Zusagen aus Rom. "Es waren zwei verschiedene Situationen", sagte Moscovici. Damals sei es um den Haushaltsentwurf Roms für 2019 gegangen, der drohte, gegen die Auflagen zu verstoßen. Nach langer Diskussion habe die Regierung aber eingelenkt und den Budget-Entwurf um zehn Milliarden Euro gekürzt. Es sei seinerzeit die richtige Entscheidung gewesen, und es sei auch heute die richtige Weichenstellung. Dann zitierte das berühmte Lied der französischen Sängerin Edith Piaf: "Non, je ne regrette rien" (Ich bereue nichts).

SCHOLZ - EURO-ZONE IST STABIL


Bundesfinanzminister Olaf Scholz setzt in dem Streit auf Verhandlungen. Schon 2018 seien Gespräche der richtige Weg gewesen. "So wird es jetzt wieder sein", sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters. Die Euro-Zone sei stabil. "Seit der letzten Finanzkrise 2008/2009 haben wir viel gelernt und viele Institutionen geschaffen, die uns in die Lage versetzen, in einer schwierigen Situation das Notwendige zu tun. Zum Beispiel ist jetzt sicher, dass die Schwierigkeiten großer Finanzinstitute und Banken nicht vom Steuerzahler in Ordnung zu bringen sind, sondern eine Angelegenheit sind, die der Bankensektor selber regeln muss. Das zum Beispiel war vor zehn Jahren anders."

WÄHRUNGSFONDS SCHLÄGT ALARM


Der Internationale Währungsfonds (IWF) wertet EU-Kreisen zufolge Italiens hohe Schulden als großes Risiko für die Wirtschaft der Euro-Zone. Dies sei das Ergebnis eines IWF-Berichts, den Fonds-Chefin Christine Lagarde bei einem Treffen mit den Euro-Finanzministern Donnerstag kommender Woche in Luxemburg vorlegen wolle, sagte ein EU-Insider. Die offizielle EU-Drohung mit einem Strafverfahren gegen Italien machte Anleger nervös. Der italienische Bankenindex verlor 1,7 Prozent. Der Leitindex der Mailänder Börse büßt 0,6 Prozent. Italienische Bonds flogen aus den Depots.

rtr