Allerdings konnten sie sich auch nach sechsstündigen Verhandlungen nicht darauf einigen, mit welchen Finanzinstrumenten man besonders schwer angeschlagene Staaten wie Italien oder Spanien unter die Arme greift. Während einigen Staaten Corona-Bonds, also Gemeinschaftsanleihen, forderten, betonte Kanzlerin Angela Merkel, dass der Euro-Hilfsmechanismus ESM das geeignete Mittel der Hilfe sei. In den kommenden zwei Wochen sollen die Finanzminister nun Vorschläge ausarbeiten, über die dann in einer weiteren Gipfel-Schalte entschieden werden soll.
Etliche Regierungen wie die in Italien stehen wegen der hohen Zahl der Toten in der Corona-Krise und dem verordneten Stillstand des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft massiv unter Druck. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte, dass der Corona-Ausbruch die entscheidenden Pfeiler der EU zerstören könne, wenn keine ausreichende Solidarität gezeigt werde. Auch Macron will wie acht andere EU-Länder Gemeinschaftsanleihen, die das Risiko von Krediten auf alle EU-Staaten verteilen. Deutschland, die Niederlande, Österreich und einige andere Staaten lehnen dies aber ab. Ein EU-Diplomat hatte vor dem Gipfel gewarnt, dass man ein Signal der Einheit und keinen Streit über Instrumente brauche, die eh nicht kämen. "Das Überleben des europäischen Projekts steht auf dem Spiel", sagte dagegen Macron am Abend, der vor einem Zerfall des Schengen-Raums der offenen Grenzen im Binnenmarkt warnte. Hintergrund sind Grenzschließungen etwa durch Polen oder Tschechien.
Die EU-Staaten beschlossen auf dem Gipfel, mehr Geld in die Erforschung eines Impfstoffes zu stecken. Merkel würdigte, dass die Kommission sehr schnell Beihilfen für angeschlagene Firmen gebilligt habe und nun die Beschaffung von Schutzausrüstung organisiere, was gerade für die kleinen EU-Staaten wichtig sei. Auch die Rückholaktionen von EU-Bürgern würde europaweit gesteuert. Die gegenseitige Solidarität nehme zu.
In der Frage der Finanzhilfen blieb Merkel, die aus der häuslichen Quarantäne an der Videoschalte teilnahm, aber hart. "Ich glaube, dass wir mit dem ESM ein Kriseninstrument haben, das uns viele Möglichkeiten eröffnet, die nicht die Grundprinzipien unsers gemeinsamen und jeweils verantwortlichen Handels infrage stellt", sagte mit Blick auf die deutsche Ablehnung konditionsloser Finanzhilfen in der Eurozone. Ähnlich äußerte sich der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Der ESM dürfe zudem nur letztes Mittel der Hilfe sein, sagte er. Zuvor hatte vor allem der italienische Regierungschef Giuseppe Conte in der Videoschalte darauf beharrt, dass die EU schnell neue Wege zur Finanzierung angeschlagener Staaten finden müsse. Der Grünen-Europapolitiker Rasmus Andresen kritisierte die fehlende Einigung. "Ein Vertagen lässt uns wichtige Zeit verlieren", sagte er. Deutschland stürze die EU zusammen mit "anderen reichen EU-Staaten" in eine Krise.
G20 LEGEN BEKENNTNIS ZUM FREIHANDEL AB
Zuvor hatten sich bereits die 20 wichtigsten Industriestaaten in einer Videoschalte ein gemeinsames Vorgehen gegen Corona-Krise beschlossen. "Wir bekennen uns nachdrücklich dazu, dieser gemeinsamen Bedrohung geeint entgegenzutreten", heißt es in der Abschlusserklärung nach einer Videoschalte, an der neben Merkel etwa auch US-Präsident Donald Trump sowie sein chinesischer Kollege Xi Jinping teilnahmen.
Die G20 bekennen sich angesichts der dramatischen Lage zu einem gemeinsamen Vorgehen, was angesichts der bisherigen "America-first"-Politik von Trump und der amerikanisch-chinesischen Rivalität als Kehrtwende gilt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die UN sowie andere internationale Organisationen sollten "alle erforderlichen Schritte" unternehmen, um die Pandemie zu überwinden. "Wir sind entschlossen, weder einzeln noch gemeinsam Mühen zu scheuen", heißt es in der Erklärung.
Zudem werden die "außergewöhnlichen" Stützungsaktionen der Notenbanken weltweit von den G20 ausdrücklich begrüßt. Es sei gemeinsame Aufgabe, Leben zu schützen, Arbeitsplätze und Einkünfte der Menschen zu sichern, finanzielle Stabilität zu bewahren und Wachstum neu zu beleben. Dafür setzen die G20-Staaten fünf Billionen Dollar ein. Störungen im Handel und in globalen Versorgungsketten sollten so gering wie möglich gehalten werden. EU-Diplomaten hatten schon vor Tagen vor einem Stimmungsumschwung etwa in der US-Regierung gesprochen, weil das Ausmaß der Corona-Krise immer größer wird. Merkel erklärte den Meinungswandel in der USA damit, dass alle erkannt hätten, dass kein Land verschont bleibe.
rtr