Ein Sprecher von Premierministerin Theresa May erklärte, dies ändere nichts an der Haltung der Regierung, an der Austrittserklärung festzuhalten. Im Unterhaus in London lief die Debatte an, die am 11. Dezember in die Abstimmung über das Brexit-Abkommen Mays mit der EU münden soll. Es ist offen, ob Mays Minderheitsregierung dafür eine Mehrheit gewinnt. Bei einer Niederlage droht am 29. März 2019 ein ungeregelter EU-Austritt. Notenbankchef Mark Carney bekräftigte Warnungen vor größeren wirtschaftlichen Schäden im Fall eines Austritts ohne Abkommen.
Das britische Pfund legte nach der EuGH-Mitteilung deutlich zu, beflügelt von Hoffnungen, dass ein ungeregelter Brexit im März dadurch unwahrscheinlicher geworden sei. EuGH-Generalanwalt Campos Sanchez-Bordona empfehle dem Gericht die Feststellung, dass die Absichtserklärung zum Austritt auf Grundlage des Artikels 50 des EU-Vertrages einseitig widerrufen werden könne, teilte der EuGH in Luxemburg mit. Diese Möglichkeit bestehe bis zum förmlichen Abschluss eines Austrittsvertrages. Die Frage war dem EuGH von einem schottischen Gericht vorgelegt worden.
Damit konnten schottische Brexit-Gegner einen ersten Erfolg verbuchen. Sie dringen auf eine zweite Volksabstimmung, mit der die Briten für einen Verbleib in der EU stimmen könnten. Der EuGH ist an die Empfehlungen seiner Generalanwälte nicht gebunden, folgt diesen in der Regel aber.
KEINE MEHRHEIT FÜR ABKOMMEN IN SICHT
May wollte im Parlament für das Abkommen zum Brexit werben, auf das sie sich mit der EU verständigt hat. Ein EU-Gipfel hatte dem Papier vor gut einer Woche zugestimmt. Ihrem Redemanuskript zufolge wollte die konservative Regierungschefin darauf verweisen, dass dieses Abkommen dem Brexit-Referendum vom Juni 2016 gerecht werde und dem britischen Volk erlaube, wieder als ein Land zusammenzukommen.
Bisher ist nicht erkennbar, dass May eine Mehrheit für das Abkommen erhält, das auch in den Reihen ihrer konservativen Partei auf Widerstand stößt. Die nordirische DUP, auf deren Abgeordnete sich Mays Minderheitsregierung sonst stützt, lehnt den Vertrag ab. Auch Oppositionsparteien wollen die Abmachung nicht unterstützen. Labour als größte Oppositionspartei brachte bereits einen Änderungsantrag ein, der sicherstellen soll, dass die Regierung unter keinen Umständen die EU ohne Abkommen verlassen könnte. May sah sich zudem dem Vorwurf der Opposition und der DUP der Missachtung des Parlaments ausgesetzt, weil die Regierung die rechtlichen Einschätzungen zum Brexit nur als Zusammenfassung veröffentlichte. Mit einer Abstimmung dazu könnte die Opposition ein Zeichen ihrer Stärke setzen. Auch könnte das Ergebnis als Hinweis auf den Ausgang der Schlussabstimmung gewertet werden.
Bei allen Warnungen vor einem ungeregelten Austritt zeigte sich der Chef der Bank von England aber überzeugt, dass der Finanzsektor für alle Szenarien gewappnet sei. Er schlafe nachts ruhig, weil der Kern des Finanzsektors in eine Position gebracht worden sei, die für ein hartes Szenario erforderlich sei, sagte Carney bei einer Ausschussanhörung. Zugleich bekräftigte er, dass Lebensmittel zehn Prozent teurer werden könnten, wenn es einen ungeregelten Brexit und keine anderen Vereinbarungen gebe, die die wirtschaftlichen Auswirkungen verringerten. Britische Firmen befürchten einen Einbruch ihrer Produktion um bis zu 6,9 Prozent im Fall eines ungeregelten Brexits, wie eine Umfrage ergab.
rtr