Zuvor waren um Mitternacht die Euro-Finanzminister (Eurogruppe) nach mehr als neunstündigen Beratungen in Brüssel ohne gemeinsame Erklärung auseinandergegangen. Sie wollten am Vormittag (11.00 Uhr, MESZ) ihre Gespräche fortsetzen. Am Nachmittag (16.00 Uhr) sollten dann die Staats- und Regierungschefs der Währungsunion zusammenkommen und anschließend die der EU. Es geht darum, ob das in Zahlungsverzug geratene Griechenland von seinen Geldgebern ein weiteres Rettungsprogramm über viele Milliarden Euro erhalten oder eventuell die Mitgliedschaft im Euro-Raum aussetzen soll.

"Die Frage der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens wurde diskutiert und auch selbstverständlich die Frage der Finanzen", berichtete Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach dem Treffen und sprach von schwierigen Gesprächen. Die Finanzminister verlangen von der Regierung in Athen sowohl weitere Reformen als auch Garantien für deren Umsetzung, wie aus der Runde verlautete. Demnach geht es etwa um Zusagen zum Umbau von Arbeitsmarkt und Verwaltung, für Privatisierungen sowie größere Einschnitte im Verteidigungshaushalt. EU-Vertretern zufolge herrschte Einigkeit, dass Griechenland zusätzliche Anstrengungen unternehmen muss, um die Partner davon zu überzeugen, dass es seine Versprechen hält und seine Schulden zurückzahlt. Unterschiedlich war allerdings die Bereitschaft, sich auf neue Vereinbarungen mit Athen einzulassen. "Eine deutliche Mehrheit ist dagegen, auf Basis des griechischen Vorschlages Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket aufzunehmen", hieß es in Teilnehmerkreisen. Dijsselbloem habe die Beratungen vertagt, als es zu hitzigen Debatten gekommen sei, welche genauen Forderungen nun zu stellen seien.

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BUNDESREGIERUNG STELLT ATHEN VOR DIE WAHL



Auch die Spitzen der Bundesregierung machen Druck auf Griechenland: Nach Absprache mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Euro-Partnern ein Papier mit zwei Optionen präsentiert. In dem Reuters vorliegenden Dokument wird ein Bündel weiterer Reformen wie ein Treuhandfonds für Privatisierungen gefordert. Falls Athen diesen Weg nicht gehen wolle, bleibe die Option eines vorübergehenden Ausscheidens aus der Euro-Zone für fünf Jahre, heißt es in dem inoffiziellen Vorschlag. Nach Auskunft mehrerer Regierungsvertreter wurde die Möglichkeit eines sogenannten Grexits allerdings von niemandem ausdrücklich angesprochen. Schäuble betonte: "Wir werden uns ganz sicher nicht auf Zusagen verlassen können." Die Hoffnung auf Besserung in Griechenland sei "bis in die letzten Tage und Stunden hinein" auf unfassbare Weise zerstört worden, sagte er vor der Sitzung der Finanzminister.

Sie sollten eigentlich entscheiden, ob die Pläne Athens ausreichen, um über ein dreijähriges Hilfspaket des Euro-Rettungsfonds ESM zu verhandeln. Es geht laut Vertretern der Euro-Zone um neue Finanzhilfen im Volumen von 82 Milliarden Euro. Allein zur Rekapitalisierung der - bereits seit zwei Wochen geschlossenen - Banken seien 25 Milliarden Euro erforderlich, hieß es aus den drei Gläubiger-Institutionen Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und EU-Kommission. Der IWF habe eine Verlängerung der Laufzeit bei alten wie neuen griechischen Anleihen auf 60 von 30 Jahren ins Gespräch gebracht, damit die Schuldenlast tragbar sei. In einer ersten Reaktion hatten sich die Institutionen Verhandlungskreisen zufolge vorsichtig zustimmend zu den griechischen Vorschlägen geäußert. In der Eurogruppe zeigte sich dann aber, dass die Mehrzahl der Finanzminister skeptisch war.

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MACHTKAMPF IN SYRIZA-PARTEI



Zu den von vielen Euro-Staaten geforderten Garantien gehört ein klarer Zeitplan für die Umsetzung von Gesetzen. Zudem wurde in der Eurogruppe bemängelt, dass die Regierung in Athen weitgehend die Forderungen der Institutionen übernommen habe. Diese seien aber nur für eine viermonatige Verlängerung des zweiten Hilfspakets bis November gedacht gewesen. Nun gehe es um ein sehr viel größeres Programm.

In der Nacht zum Samstag hatte das griechische Parlament mit klarer Mehrheit die Reformvorschläge der Regierung gebilligt. Ministerpräsident Alexis Tsipras war jedoch auf eine breite Unterstützung aus der Opposition angewiesen, denn eine Reihe von Abgeordneten seiner eigenen linken Syriza-Partei verweigerte ihm die Gefolgschaft. Auch deshalb forderte der irische Finanzminister Michael Noonan, dass das griechische Parlament in den kommenden zwei Wochen entscheidende Reformen beschließen soll.

Allerdings will Tsipras seine Machtbasis stärken: Wirtschaftsminister Georgios Stathakis deutete eine baldige Regierungsumbildung an. Zudem sollten jene Syriza-Abgeordneten ihr Mandat abgeben, die gegen die Reformvorschläge der Regierung gestimmt hätten. Diese sehen Steuererhöhungen und eine Rentenreform vor. Demnach sollen etwa Reeder stärker belastet und Steuervergünstigungen für Inseln gestrichen werden. Stathakis kündigt zudem an, dass die Kapitalverkehrskontrollen noch mindestens zwei Monate bestehen bleiben sollen.

Für Griechenland wurden seit 2010 bereits zwei Rettungspakete im Volumen von 240 Milliarden Euro geschnürt. Am 20. Juli muss das Land 3,5 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen, die es ohne neue Hilfen kaum aufbringen kann. Bleibt die Zahlung aus, könnten spätestens dann die Nothilfen für die griechischen Banken gestoppt werden.

Reuters