Nach dem "Nein" der Griechen zu den Spar- und Reformvorschlägen der Gläubiger sieht die Bundesregierung vorerst keine Basis mehr für weitere Hilfen. Die Voraussetzungen für Verhandlungen seien wegen des Referendums am Sonntag zurzeit nicht gegeben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Vize-Kanzler Sigmar Gabriel warnte: "Wenn Griechenland im Euro bleiben will, muss die griechische Regierung schnell ein substanzielles Angebot machen." Vor einem Euro-Sondergipfel am Dienstag versuchte Kanzlerin Angela Merkel, die Euro-Zone auf die deutsche Linie zu bringen. Dagegen will die Regierung in Athen mit dem Wählervotum im Rücken den Verhandlungsfaden schnell wieder aufnehmen: Finanzminister Yanis Varoufakis trat zurück, um die Gespräche der Euro-Finanzminister erneut in Gang zu bringen. Er hatte den Gläubigern in den letzten Tagen Terrorismus und Erpressung vorgeworfen.

In der Volksbefragung hatten über 60 Prozent der Griechen gegen die jüngsten Reformvorschläge der Euro-Zone und des IWF gestimmt. Das schickte die Aktien der europäischen Banken auf Talfahrt. Dax, EuroStoxx50 und Euro kamen dagegen nur kurz aus dem Tritt.

Seit Ende des zweiten Hilfsprogramms am 30. Juni finden keine Verhandlungen mehr statt. In einem Telefonat vereinbarten Merkel und Regierungschef Alexis Tsipras, dass die Griechen beim Euro-Gipfel Vorschläge machen. Tsipras hatte dem Volk vor dem Referendum versprochen, binnen 48 Stunden nach einem "Nein"-Votum eine Einigung mit den Geldgebern anzustreben.

Mit dieser Ankündigung stand Tsipras allerdings am Tag danach allein da. Gabriel sagte, das Referendum sei eine Absage an die Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion. Zwar müssten jetzt selbstverständlich alle zu neuen Gesprächen bereit sein. Griechenland könne aber nicht die Bedingungen in der Euro-Zone verändern. Er warnte, über einen "Grexit" aus dem Euro müsse letztlich die Athener Regierung entscheiden. Auch Seibert vermied ein klares Bekenntnis, die Griechen im Euro halten zu wollen. Auf die Frage, ob die Wahrscheinlichkeit eines Austritts gestiegen sei, sagte er, die Griechen seien in der Euro-Zone. Es liege an Athen, "so zu handeln, dass das auch so bleiben kann".

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MERKEL UND HOLLANDE SUCHEN GEMEINSAME LINIE



Merkel habe sich nach dem Referendum mit einer Vielzahl europäische Partner abgestimmt, sagte Seibert. In Paris wollte sie am Abend mit Präsident Francois Hollande beraten. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Jäger, lehnte die griechische Forderung nach einem Schuldenerlass klar ab. Dieses Ansinnen sei auch der wahre Grund für den Abbruch der Gespräche durch die Griechen gewesen, nicht ein Dissens über die Reformen. Varoufakis habe massive Leistungen ohne Gegenleistungen gewollt.

In den Treffen der Euro-Minister hatte der linke Ökonom am Ende keine zentrale Rolle mehr gespielt. Nun zog er - oder Tsipras - die Konsequenzen. In seinem Internet-Blog schrieb Varoufakis, ihm sei von Vertretern der Euro-Gruppe signalisiert worden, dass sie es vorzögen, wenn er nicht mehr an den Treffen teilnehme. Aus Sicht von Tsipras könnte dies "hilfreich sein, um eine Vereinbarung zu erreichen". Er fügte hinzu: "Ich werde den Abscheu der Geldgeber mit Stolz tragen." Als aussichtsreichster Kandidaten für seine Nachfolge galt der Koordinator der Gespräche mit den Gläubigern, Euklid Tsakalotos.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte, es bleibe sein Ziel, die Griechen im Euro zu halten. Das Referendum habe die Lage aber schwerer gemacht. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin sagte dem Sender Europe 1, ein Ausscheiden aus der Euro-Zone sei kein Automatismus. Es gebe weiter eine Basis für den Dialog. Ähnliche Töne kamen aus Spanien und aus Italien.

Der EZB legte Sapin nahe, ihre Nothilfen für griechische Banken nicht zu kappen. Es wurde erwartet, dass der EZB-Rat im Tagesverlauf über die ELA-Hilfen berät. Insidern zufolge liegt das Limit derzeit bei 89 Milliarden Euro. Ohne die ELA-Kredite droht den Banken das Geld auszugehen, weil viele Firmen und Privatleute ihre Konten geräumt haben. Bei einer Staatspleite würden die Banken kippen - und damit die gesamte Wirtschaft.

Reuters