POLITISCHE MACHTBALANCE DER PARTEIEN KIPPT

Schottland gilt als Hochburg der Labour-Partei, die sich mit den Konservativen in London an der Macht abwechselt. Doch wenn die schottischen Abgeordneten aus Westminster ausziehen sollten, wäre die linke Machtbasis in Großbritannien empfindlich geschwächt. "Das würde praktisch das Ende aller Siegchancen für die Labour-Partei besiegeln", sagt der frühere Europa-Minister Denis Macshane. Derzeit stellt Labour 41 schottische Unterhausabgeordnete, die Konservativen halten nur einen Sitz.

EU-AUSTRITT GROSSBRITANNIENS WIRD WAHRSCHEINLICHER

Die konservative Regierung in London hat für 2017 ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens in Aussicht gestellt. Da die Schotten generell als europafreundlicher als die übrigen Briten gelten, würde eine Abspaltung des Nordteils der Insel das Lager der EU-Skeptiker stärken. Die Schotten stellen zwar nur rund vier Millionen der 45 Millionen wahlberechtigten UK-Bürger. Doch ihr Fehlen könnte bei einem EU-Referendum 2017 den Ausschlag dafür geben, dass sich die EU-Gegner durchsetzen.

ATOMWAFFENFRAGE UNGEKLÄRT

Großbritannien hat vier mit Atomwaffen bestückte U-Boote auf der Marinebasis im schottischen Faslane stationiert. Den Nationalisten in Schottland ist dieser Standort ein Dorn im Auge. Sie werben für ein atomwaffenfreies Schottland. Im Rest des Königreichs löst dieses Vorhaben Sorge aus: Anhänger der Nuklearbewaffnung befürchten, dass ein Abbau der Atombasis in Schottland mit Milliardenkosten verbunden ist und zudem Tausende Jobs verloren gehen dürften. Zudem drohten internationale Komplikationen. Auch die USA, die Großbritannien als engen Nato-Alliierten schätzen, sind beunruhigt. Präsident Barack Obama empfahl den Briten, den Staat zusammenzuhalten.

WEITERE AUFLÖSUNGSTENDENZEN IN GROSSBRITANNIEN

Eine schottische Unabhängigkeit könnte auch auf Nordirland ausstrahlen. Mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 wurde ein Jahrzehnte währender gewaltsamer Konflikt zwischen den protestantischen Unionisten und dem katholischen pro-irischen Lager befriedet. Ein "Yes" der Schotten zur Abspaltung von Großbritannien könnte auch die Katholiken in Nordirland ermutigen, die ungeliebte britische Herrschaft abzuschütteln und einen Anschluss an die Irische Republik voranzutreiben.

AUSWIRKUNGEN AUF ANDERE NATIONALBEWEGUNGEN IN EUROPA

Besonders Spanien blickt mit bangem Blick auf das Votum der Schotten. Die Zentralregierung in Madrid hat ein für November geplantes Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens untersagt. Die Organisatoren wollen die Abstimmung dennoch nicht abblasen und betonen nun, das Votum habe keine bindende Wirkung. Dennoch dürfte ein Ja der Schotten zu einer Eigenstaatlichkeit der Unabhängigkeitsbewegung im Nordosten Spaniens neuen Zulauf bescheren. Auch die Nationalisten im Baskenland könnten Oberwasser erhalten.

In Belgien dürfte die flämische Unabhängigkeitsbewegung Honig aus einem positiven Schotten-Votum saugen und so Belgien destabilisieren: Das ist zumindest die Sorge in der EU-Zentrale in Brüssel. Mit Blick auf die Folgen für die Stabilität Europas hat die EU den Schotten bereits eine verdeckte Warnung zukommen lassen: Es sei schwierig, nach einer Abspaltung von Großbritannien der EU beizutreten, hieß es. Neumitglieder benötigen für eine Aufnahme ein einstimmiges Votum aller EU-Staaten.

Reuters