Der Reformer gilt Anlegern als Stabilitätsgarant und könnte bei einem Rücktritt Italien und damit letztlich auch den Euro in Turbulenzen stürzen. Die Regierung in Rom bemühte sich, die Finanzmärkte zu beruhigen. Er sehe keine Gefahr eines Börsenbebens für den Fall eines Nein-Votums, sagte Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan. Renzi warb am letzten Tag der Wahlkampagne für ein "Si" zur Reform: "Denkt an die Zukunft und die Zukunft eurer Kinder."

Dabei dürfte es am Sonntag vor allem um seine Zukunft gehen: Die Italiener stimmen über die vom Ministerpräsidenten vorangetriebene Verfassungsreform ab, das Votum wird schon als "Renzirendum" bezeichnet. Die Reform soll das bislang komplizierte Regieren mit zwei Parlamentskammern erleichtern und den Politikapparat verschlanken. In den letzten Umfragen lag das "No"-Lager vorn. Allerdings dürfen ab zwei Wochen vor dem Referendum keine neuen Befragungen mehr veröffentlicht werden.

Da der Ministerpräsident für den Fall einer Niederlage mit seinem Rücktritt gedroht hatte, könnte die Regierung kippen. Bei Neuwahlen hätte die euroskeptische Protestbewegung "5 Sterne" von Beppe Grillo gute Chancen, stärkste Partei zu werden. Damit hätte Europa nach dem Brexit-Votum der Briten ein neues Problem, sagen Experten.

Dies sorgte für Nervosität unter Anlegern: Der deutsche Dax notierte zeitweise ein Prozent im Minus, die Mailänder Börse gab noch stärker nach. "Zu groß sind derzeit die Sorgen vor einer Regierungskrise, falls die Reformen keine Mehrheit finden", sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG Market.

Vor der Abstimmung haben ausländische Anleger offenbar riesige Wetten auf einen Kurssturz an der Mailänder Börse platziert, wie jüngst deren Chef Raffaele Jerusalmi sagte. Dies sorgt für Unsicherheit unter Anlegern, zumal auch die politischen Perspektiven unklar sind: "Es wird sehr schwierig sein, sich am Montag eine klare Meinung über die Zukunft der italienischen Regierung und den Appetit auf weitere Reformen zu bilden", sagte Franck Dixmier, Anleihe-Chef des Vermögensverwalters AllianzGI.

Experten zufolge fällt das Referendum in eine für die italienischen Geldhäuser äußerst heikle Phase: "Die italienischen Banken sind beim Versuch, ihre Finanzkraft wiederherzustellen, in einem kritischen Stadium ", sagte Laurent Frings, Anleihechef des Vermögensverwalters Aberdeen. Die Geldhäuser des südeuropäischen Landes sitzen auf einem 360 Milliarden Euro hohen Berg fauler Kredite. "Schlägt die Bankenrettung fehl, dürfte dies ziemlich sicher den Populismus befeuern, der in großen Teilen der westlichen Welt immer offensichtlicher wird."

KOMMT NACH DEM BREXIT EIN ITALEXIT?



Unter Börsianern macht bereits das Schlagwort "Italexit" die Runde - also ein Austritt des EU-Gründungsmitglieds aus der Währungsunion. In den vergangenen Jahren stand das hoch verschuldete Griechenland im Fokus. Ein "Grexit" wurde jedoch durch internationale Finanzhilfen und unter Mitwirken der Europäischen Zentralbank (EZB) verhindert. Sie steht nun Gewehr bei Fuß, sollte es nach dem Italien-Referendum zu größeren Turbulenzen kommen. Bei einem "No" könnten die Währungshüter ihr billionenschweres Anleihen-Kaufprogramm einsetzen, um einen Anstieg der Renditen italienischer Staatsanleihen einzudämmen, sagten zuletzt mehrere Notenbank-Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Die Euro-Hüter könnten dann zeitweise mehr italienische Bonds kaufen. Der Risikoaufschlag für Staatsanleihen des EU-Südlandes stieg diese Woche im Vergleich zu den deutschen Bonds zeitweise auf ein Zweieinhalb-Jahres-Hoch.

Auch nach dem überraschenden Brexit-Votum im Juni war die EZB zum Handeln bereit. Damals hatte sie erklärt, falls nötig, werde sie zusätzliche Liquidität bereit stellen. Sie stehe in Kontakt mit den Banken und beobachte die Entwicklung an den Finanzmärkten genau. "Das Verfassungsreferendum ist Italiens 'Brexit'-Moment", sagt Neil Wilson vom Finanzdienstleister ETX Capital. Die Bundesregierung hielt sich mit Stellungnahmen im Vorfeld des italienischen Verfassungsreferendums zurück. Zur Marktentwicklungen äußere man sich grundsätzlich nicht, sagte am Freitag eine Sprecherin des Finanzministeriums. Sie fügte allerdings hinzu: "Wir sind immer vorbereitet."

rtr