"Wir sind sehr weit einig geworden, aber noch nicht ganz", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz sichtlich müde am Vormittag in Berlin. Hoffentlich werde es noch vor Ostern eine Einigung geben. Die Gespräche sollen am Donnerstag fortgesetzt werden.
SPD-Politiker Scholz will vor allem mit drei Maßnahmen helfen - Krediten der europäischen Förderbank EIB für kleine und mittelständische Unternehmen, Kreditlinien aus dem Rettungsfonds ESM sowie einer europäischen Variante des deutschen Kurzarbeitergeldes. Die ersten beiden Punkte hätten jeweils ein Volumen von rund 200 Milliarden Euro, letzterer von 100 Milliarden. In Verhandlungskreisen hieß es, Italien und die Niederlande hätten sich in der Nacht verhakt. Dabei sei es um Auflagen für milliardenschwere Hilfskredite aus dem ESM gegangen, die in der Regel an Bedingungen geknüpft sind. Die Regierung in Rom will aber wegen der riesigen Lasten durch die Pandemie keine Auflagen akzeptieren, weil das Land unverschuldet in die Krise gerutscht ist.
Scholz sagte, es dürfe maximal geringe Auflagen geben, die konkret auf die Pandemie bezogen seien. Ein Beispiel dafür wäre, Ausgaben nur auf das Gesundheitssystem zu beschränken. Eine Verknüpfung mit dem Renten- oder Steuersystem sowie den Strukturen auf dem Arbeitsmarkt lehnte Scholz ab. Das sei nicht angemessen und zielführend, auch dürfe es keine Überprüfung von Maßnahmen geben - ein Seitenhieb auf den niederländischen Finanzminister Wopke Hoekstra. Dieser twitterte, ein ESM-Einsatz zur wirtschaftlichen Stabilisierung eines Landes müsse mit Auflagen verknüpft werden.
SCHARFE WARNUNGEN VON EZB UND EU-KOMMISSION
Die EU-Kommission hat Insidern zufolge die Finanzminister in den Beratungen gewarnt, dass die Wirtschaft in der Euro-Zone dieses Jahr um bis zu zehn Prozent einbrechen könnte. Die Europäische Zentralbank habe erläutert, wegen der Pandemie seien womöglich Hilfen im Volumen von bis zu 1,5 Billionen Euro nötig. Neben Deutschland seien aber auch andere Euro-Staaten aus dem Norden nur für Maßnahmen im Umfang von 500 Milliarden Euro gewesen. Frankreich, Italien und Spanien hätten sich für mindestens eine Billion Euro ausgesprochen.
Italien ist jetzt schon nach Griechenland das am stärksten verschuldete Land der Euro-Zone. Experten erwarten, dass sich die Lage durch die anstehenden Milliardenkosten noch deutlich verschlimmert. "Denn auf Dauer wären erhebliche Kreditausfälle wohl nicht zu vermeiden", heißt es in einem Gutachten mehrerer Wirtschaftsforschungsinstitute für die Bundesregierung. Daher stelle auch eine mögliche Bankenkrise in vielen Ländern, vor allem in Italien mit seinem besonders hohen Anteil an notleidenden Krediten, ein substanzielles Risiko für die Stabilität und den Fortbestand der Währungsunion dar.
Die deutschen Ökonomen rechnen damit, dass Italien dieses Jahr ein Haushaltsdefizit von 9,2 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung anhäuft, Spanien 8,2 Prozent. Der eigentlich erlaubte Höchstwert liegt bei drei Prozent. Doch hat die Europäische Union in der Krise die Regeln bereits ausgesetzt und lässt auch deutlich mehr staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zu, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen.
EURO-BONDS UNWAHRSCHEINLICH - ZU STARKE DIFFERENZEN
Im Vorfeld der Beratungen waren vor allem gemeinsame Anleihen umstritten - sogenannte Euro-Bonds oder wegen der Virus-Krise jetzt auch Corona-Bonds genannt. Hier sind die Positionen der Länder noch immer weit auseinander. Scholz sagte, sobald sich die gesundheitliche Lage stabilisiere, müsse es ein Konjunkturprogramm geben, das die europäische Wirtschaft wieder in Schwung bringe. Daran sei in den nächsten Wochen und Monaten zu arbeiten. Klassische Instrumente reichten dafür aber aus. Ähnlich äußerte sich Bundesaußenminister Heiko Maas bei RTL. Er wolle nicht ausschließen, dass der EU-Haushalt für die kommenden Jahre "noch einmal komplett neu gerechnet werden muss".
Ein Diplomat sagte Reuters, Italien poche auf eine Form von gemeinsamer Verschuldung bei dem angedachten Wiederaufbaufonds. Das solle noch intensiver diskutiert werden. "Die Niederländer haben aber gesagt: Nein."
rtr