Der Londoner Auswahlindex FTSE hielt sich knapp im Plus. Das Pfund Sterling setzte seinen Erholungskurs fort und kostete 1,4661 Dollar. Damit verteuerte es sich binnen Wochenfrist um rund sechs US-Cent.
Die Furcht vor einem Brexit, die die vergangene Woche dominiert habe, sei offenbar verflogen, sagte Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. Nun schwinge das Pendel in die andere Richtung. Bei welcher Bewegung die Börsen übertrieben hätten, könne man erst dann erkennen, wenn das Ergebnis der Volksabstimmung feststehe. Die Wahllokale schließen am Donnerstag um 23 Uhr MESZ. Erste Zahlen zum Ausgang werden am frühen Freitagmorgen erwartet.
Der aktuelle Optimismus stützt sich nach Einschätzung des ICF-Experten Ruland auf die Quoten der Buchmacher. Investoren werteten sie als aussagekräftiger als Umfragen, da diese zuletzt meist daneben gelegen hätten. Der Wettanbieter Betfair sieht die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs Großbritanniens in der EU bei 75 Prozent. Wählerbefragungen zufolge liegen Befürworter und Gegner des Brexit dagegen fast gleichauf. Sollten sich die Briten für den Ausstieg entscheiden, erwarten Experten ein weltweites Kurschaos und eine Abkühlung der Weltwirtschaft.
Die positive Stimmung spiegelte sich am Mittwoch auch am Rohstoffmarkt wider. Brentöl verteuerte sich um 0,8 Prozent auf 51,01 Dollar je Barrel (159 Liter). Die Rohöl-Sorte aus der Nordsee profitierte dabei zusätzlich von einem überraschend starken Rückgang der US-Ölreserven in der vergangenen Woche. Das wichtige Industriemetall Kupfer kostete mit 4715,50 Dollar je Tonne ein Prozent mehr als am Vortag.
ZWEIFEL AN BALDIGEN US-ZINSERHÖHUNGEN
Das Thema Brexit bestimmte auch die jüngste Anhörung von Janet Yellen vor dem US-Kongress. Sollte es dazu kommen, drohten "erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen", warnte die US-Notenbankchefin. "Vor ein paar Monaten war Yellen noch vorsichtig optimistisch", urteilte Tohru Yamamoto, Chef-Anleihestratege vom Finanzdienstleister Daiwa Securities. "Jetzt erscheint sie vorsichtig, während sie sich optimistisch zu geben versucht." Eine US-Zinserhöhung im Juli sei wohl vom Tisch und eine Anhebung im September fraglich. Investoren sehen die Wahrscheinlichkeit für Letzteres derzeit bei 33 Prozent.
VW-FÜHRUNG MUSS SICH KRITIK DER AKTIONÄRE STELLEN
Bei den Unternehmen richtete sich die Aufmerksamkeit auf Volkswagen. Wegen der Affäre um manipulierte Abgas-Tests muss sich die Führung des Autobauers bei der Hauptversammlung auf massive Kritik der Eigner einstellen. Mehrere Aktionärsvertreter beantragten, dem Vorstand unter Konzernchef Matthias Müller und dem Aufsichtsrat unter Vorsitz von Hans Dieter Pötsch die Entlastung zu verweigern. Zudem fordert unter anderem die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz eine unabhängige Sonderprüfung zum Abgasskandal. VW-Papiere notierten kaum verändert bei 123,70 Euro.
rtr