Abzuwarten bleibt aber, ob das Börsenbarometer noch eine ausgeglichene Jahresbilanz schafft. "Das Investieren in die großen deutschen Unternehmen aus dem Dax war in diesem Jahr bislang alles andere als vergnügungssteuerpflichtig", dürfte Carsten Klude, Chefvolkswirt bei der Privatbank M.M.Warburg & Co, vielen Anlegern aus der Seele sprechen.
Das Unheil für die Anleger begann bereits Ende Januar. Kurz nachdem der Dax seine jahrelange Rally mit einem weiteren Rekordhoch gekrönt hatte, zogen die Renditen US-amerikanischer Staatsanleihen deutlich an. Dies weckte die Furcht, dass die Notenbanken wegen der gut laufenden Konjunktur ihre Geldpolitik schneller straffen könnten als gedacht. Denn es ist gerade die Flut an billigem Geld, die den Märkten seit Jahren Auftrieb verleiht. Steigende Anleihe-Renditen erhöhen zudem die Attraktivität von festverzinslichen Wertpapieren, so dass der Dax im Februar um knapp 6 Prozent absackte.
Bereits Anfang März folgte der nächste Nackenschlag für die Anleger, der bis heute schmerzt: US-Präsident Donald Trump kündigte wie zuvor angedroht Strafzölle auf Stahl sowie Aluminium aus dem Ausland an und entfachte damit einen Handelskonflikt, der das Zeug dazu hat, die bis dato florierende Weltwirtschaft abzuwürgen. Zuletzt wurde mit neuen, beiderseitigen Zöllen zwischen den Vereinigten Staaten und China eine gefährliche Eskalationsschwelle überschritten.
Für Guido Schäfers vom Bernecker-Börsenbrief "Termin-Börse" ist nun für die Anleger eine "einmalige und unkalkulierbare Situation" entstanden. Seiner Meinung nach dürfte der Dax solange nicht nachhaltig nach oben tendieren, so lange "das Damoklesschwert neuer Zölle über den Märkten schwebt".
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass sich der Dax schon deutlich von seinem Ende März erreichten Tief bei knapp 11 727 Punkten abgesetzt hat. Und durch die Rückkehr in den langfristigen Aufwärtstrend Mitte September habe sich der deutsche Leitindex wieder stabilisiert, merkt Martin Utschneider an, der Leiter der charttechnischen Analyse bei der Privatbank Donner & Reuschel.
Zudem hat sich auch aus fundamentaler Sicht das Bild wieder etwas aufgehellt: "Der Handelsstreit wird weitergehen, allerdings lernen die Märkte langsam, mit dieser Bedrohung umzugehen", konstatiert Dekabank-Experte Kater. Dies gelte umso mehr, da die deutschen Unternehmen trotz einiger hausgemachter Probleme im Automobil- und Chemiesektor gut aufgestellt und ausgelastet seien.
Dennoch bleibt die Politik der USA ein Unsicherheitsfaktor, zumal dort am 6. November Kongresswahlen anstehen. Sollten die als wirtschaftsfreundlich geltenden Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern verteidigen, könnten die Aktienmärkte zunächst weiter steigen, vermutet Bernd Meyer, der Chefanlagestratege der Privatbank Berenberg. Doch selbst wenn die Demokraten - wie von ihm vermutet - das Repräsentantenhaus zurückerobern sollten, dürfte dies zumindest mittelfristig gut für die Börsen sein. Schließlich wäre dann der Status quo hinsichtlich Steuerreform und Deregulierung fixiert und Präsident Trumps weiterer politischer Spielraum eingeschränkt.
Der Dax hat sich im übrigen auch deshalb etwas erholt, weil die zu Jahresbeginn noch befürchtete, massive Umschichtung von Anlagegeldern aus dem Aktien- in den Anleihenmarkt bislang ausgeblieben ist. Denn auch wenn die US-Notenbank zuletzt ihren Leitzins erneut angehoben hat, so hält EZB-Präsident Mario Draghi diesbezüglich erst einmal weiter die Füße still.
"Gerade in Europa existieren wegen des weiter vorherrschenden Niedrigzinsumfeldes wenig bis keine Anlagealternativen", sagt Analyst Frank Wohlgemuth von der Essener National-Bank. Für Berenberg-Fachmann Meyer ist das Fazit vor diesem Hintergrund klar: "Die Jahresendrally im Dax wird holprig, aber sie kommt."/la/gl/he