EZB-Präsident Mario Draghi ist wegen der hartnäckig niedrigen Inflation zu noch drastischeren geldpolitischen Maßnahmen bereit. Falls erforderlich werde die Euro-Notenbank alle Mittel innerhalb ihres Mandats nutzen, sagte Draghi am Freitag auf einem Bankenkongress in Frankfurt. "Wir werden das tun, was wir machen müssen, um die Inflation so schnell wie möglich zu erhöhen." Die ultralockere Geldpolitik der Euro-Wächter bleibt aber umstritten: So bekräftigte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann seine Skepsis was den Nutzen einer noch umfassenderen Geldflut angeht. Die Währungshüter entscheiden am 3. Dezember über ihren weiteren Kurs.

Nach den Aussagen Draghis gab der Euro am Devisenmarkt nach. Er notiert zeitweise nur noch bei 1,0665 Dollar. Zuvor lag er noch knapp unter der Marke von 1,07 Dollar. Der Dax konnte seine Rally dagegen nicht fortsetzen und notierten knapp im Minus. Nach den vielen Worten und wiederholten Ankündigungen Draghis müssten nun Taten folgen, sagten Börsianer.

Im Oktober waren die Preise in der Währungsunion lediglich um 0,1 Prozent gestiegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt als optimalen Wert für die Wirtschaft eine Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent an - quasi einen Sicherheitsabstand zu auf breiter Front fallenden Preisen mit extrem schädlichen Folgen für die Wirtschaft. Die EZB werde es nicht ignorieren können, dass die Inflation im Währungsraum schon länger niedrig liege, sagte Draghi. "Und die Erholung (der Wirtschaft) bleibt sehr schleppend aus historischer Sicht."

Bundesbank-Präsident Weidmann hingegen sieht die niedrige Teuerung vor allem als Folge der gefallenen Ölpreise. Und diese seien vorteilhaft für Haushalte sowie Unternehmen, denn gringere Energierechnungen bedeuteten mehr Geld für Investitionen und Konsum. "Der Rückgang der Ölpreise ist mehr ein wirtschaftlicher Stimulus für die Euro-Zone als ein Vorbote einer Deflation." Er sehe keine Gründe, die wirtschaftlichen Aussichten der Euro-Zone klein zu reden. "Wir sollten auch nicht vergessen, dass die bereits unternommenen geldpolitischen Schritte immer noch Zeit benötigen, um ganz in der Wirtschaft anzukommen".

Weidmann warnte, je länger die ultralockere Geldpolitik anhalte, umso weniger wirksam werde sie. Zudem kämen dann stärker die Risiken und Nebenwirkungen zum Vorschein: Beispielsweise Übertreibungen an den Finanzmärkten oder die Gefahr, dass sich die Länder zu sehr an die niedrigen Zinsen gewöhnten.

ANLEIHENKÄUFE IM BLICK



Als geldpolitisches Werkzeug steht bei der Euro-Notenbank vor allem das seit März laufende Anleihen-Kaufprogramm im Blick. Dies sei ein "mächtiges und flexibles Instrument", sagte EZB-Chef Draghi. Dessen Umfang, Einsatzdauer und Zusammensetzung ließen sich ändern. Die EZB und die nationalen Zentralbanken pumpen bereits seit gut neun Monaten Woche für Woche Milliarden in das Bankensystem, um Geldhäuser zur Vergabe von mehr Krediten an die Wirtschaft zu bewegen. Das soll die Konjunktur anschieben und für steigende Preise sorgen. Die Auswirkungen auf die Preisentwicklung blieben bisher aber mager.

Auch der so genannte Einlagezins ist eines der Werkzeuge, das die EZB nutzen könnte. Er liegt aktuell bei minus 0,2 Prozent - Banken müssen also eine Strafe bezahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der EZB parken und nicht an die Wirtschaft über Kredite weitergeben. Bislang galt das aktuelle Niveau als Untergrenze - von dieser Auffassung waren die Währungshüter aber zuletzt abgerückt.

Reuters