"Wir werden nicht zögern, die Instrumente so passend und angemessen zu nutzen, wie es erforderlich ist." Die Inflationsrate in der Euro-Zone war zuletzt auf minus 0,2 Prozent gerutscht und damit meilenweit entfernt von der angestrebten Marke von knapp zwei Prozent. Zudem bereitet ein stärkerer Euro den Währungshütern Sorgen.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird nach den neuen Wirtschaftsprognosen der EZB in diesem Jahr voraussichtlich um 8,0 Prozent einbrechen. Im Juni hatte sie noch mit einem Absturz von 8,7 Prozent gerechnet. "Die hereinkommenden Daten seit unsere letzten geldpolitischen Sitzung im Juli sprechen für eine starke Erholung der Aktivitäten, die weitgehend unseren früheren Erwartungen entspricht," sagte Lagarde. Allerdings sei man noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt. Die EZB-Chefin bleibt daher vorsichtig: "Die Stärke der Erholung ist nach wie vor von erheblicher Unsicherheit umgeben, da sie weiterhin in hohem Maße von der künftigen Entwicklung der Pandemie und dem Erfolg der Eindämmungs-Politik abhängt." Allerdings ist aus ihrer Sicht inzwischen das Deflationsrisiko merklich gesunken.
"Die noch abwartende Haltung der EZB ist seriös. Dass eine Inflationsrate in einer historisch einmaligen Krise kurzfristig absackt, ist nichts anderes als eine Momentaufnahme", sagte Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW. "Auch wenn die Märkte permanent nach noch mehr geldpolitischer Expansion rufen, ist es klug, dem nicht immer nachzugeben." Die EZB habe trotz angehobener Wachstumsprognosen für 2020 ihre Konjunkturskepsis beibehalten, sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe. "Neue expansive Maßnahmen lauern daher am Horizont, ihnen hat die EZB keinen Riegel vorgeschoben."
DISKUSSION ÜBER EURO-KURS
Viele Ökonomen erwarten dennoch, dass die EZB in den nächsten Monaten ihr billionenschweres Pandemie-Anleihenprogramm PEPP erneut aufstocken wird. Auf der Sitzung wurde darüber laut Lagarde aber nicht diskutiert. Sorgen bereitet der EZB der Höhenflug des Euro. "Wir beobachten das sorgfältig, denn der Kursanstieg des Euro hat eine Auswirkung auf unsere Inflation", sagte Lagarde. Der Euro-Wechselkurs sei aber kein geldpolitisches Ziel. Die Gemeinschaftswährung ist seit Mitte Mai zum Dollar um rund zehn Prozent gestiegen. Aktuell liegt der Kurs bei 1,1901 Dollar. Dies schmälert die Wettbewerbschancen heimischer Firmen auf dem Weltmarkt.
Ihren Leitzins beließen die Euro-Wächter auf dem Rekordtief von null Prozent. Auf diesem Niveau liegt er inzwischen seit März 2016. Auch bei den Strafzinsen für Banken gab es keine Änderungen: Der Einlagensatz bleibt bei minus 0,5 Prozent. Ein negativer Satz bedeutet, dass Geldhäuser Zinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Liquidität parken. Seit vergangenem Herbst allerdings gewährt die EZB Freibeträge von den Strafzinsen, um die Banken zu entlasten.
Lagarde äußerte sich auch zur wiederangelaufenen Strategieüberprüfung der Notenbank. Es sei auf diesem Weg bereits eine "enorme Menge" abgearbeitet worden, auch wenn die EZB auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie vorübergehend die Pausentaste gedrückt habe: "Vertrauen Sie darauf, wir werden an unserer Strategie arbeiten." Es werde auf diesem Weg "jeder Stein umgedreht". Im zweiten Halbjahr 2021 will die Notenbank die Überprüfung ihrer Strategie abschließen. Die EZB hatte sie letztmalig im Jahr 2003 überarbeitet. Im Mittelpunkt steht dabei das Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent, das sie seit Jahren verfehlen. Aber auch Themen wie der Klimawandel sollen bei der Überprüfung eine wichtige Rolle spielen.
rtr