In einem zweiten Schritt soll dann das Ende der Nullzins-Ära eingeläutet werden. Wie viel Zeit nach dem Aus für die Käufe genau vergehen wird, ließ sie offen: Dies könne eine Woche oder auch mehrere Monate bedeuten. Der Euro geriet angesichts der abwartenden Haltung der EZB unter Druck und fiel unter die Marke von 1,08 Dollar. Unterdessen mehren sich die Stimmen aus Politik, Wirtschaft und der Bankenbranche, die trotz Konjunktursorgen wegen des Ukraine-Krieges auf ein entschlossenes Handeln der EZB dringen.

"Es ist das Mandat der EZB, für stabile Preise zu sorgen. Die EZB kann nicht für wirtschaftliches Wachstum sorgen", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) der Nachrichtenagentur Reuters. Inflation sei langfristig die größte Gefahr für die Staatsfinanzen und den Wohlstand.

Die EZB ist mit Blick auf die rasant steigenden Verbraucherpreise auf der Hut. "Der Inflationsdruck hat sich über viele Sektoren hinweg intensiviert", betonten die Währungshüter. Sie stellen sich darauf ein, dass er auch in den kommenden Monaten hoch bleiben wird, vor allem aufgrund des starken Anstiegs der Energiekosten. Diese hatten sich infolge der russischen Invasion der Ukraine massiv erhöht.

Die Europäische Zentralbank muss bei der Geldpolitik auch mit berücksichtigen, dass die Wirtschaft im Euroraum unter den Auswirkungen des Ukraine-Krieges leidet. "Der Konflikt und die damit einhergehende Unsicherheit belasten das Unternehmer- und das Verbrauchervertrauen schwer", konstatierte Lagarde. Die EZB werde mit Blick auf die derzeit herrschende Unsicherheiten sehr achtsam bleiben, sagte die oberste Währungshüterin. Sie war positiv auf Corona getestet worden und nahm online von zuhause an der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss teil.

Die in den vergangenen Wochen hereingekommenen Daten bestärkten die Währungshüter in ihrer Sicht, dass das Anleihen-Kaufprogramm APP im dritten Quartal eingestellt werden sollte. Die Zinswende soll dann folgen. "Dabei werden wir graduell vorgehen", teilten die Währungshüter mit.

Die EZB will sicherstellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei dem Zielwert von 2,0 Prozent stabilisiert. Zuletzt war die Teuerung mit 7,5 Prozent aber weit darüber hinausgeschossen. Dies hat dazu geführt, dass die langfristigen Schätzungen an den Finanzmärkten zur Preisentwicklung aus dem Ruder zu laufen drohen. "Die trotz der hohen Inflation zögerliche Haltung der EZB ist riskant, weil die Inflationserwartungen und damit auch die Inflation selbst bei einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung steigen können", mahnte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Andere große Notenbanken wie die Fed in den USA haben angesichts des starken Preisauftriebs bereits die Zinswende eingeleitet.

WIRTSCHAFT STÖHNT UNTER INFLATION


Nicht nur die Verbraucher stöhnen über deutlich gestiegene Preise an den Zapfsäulen und im Supermarktregal. Auch auf der deutschen Wirtschaft lastet die hohe Inflation. "Die Verteuerung insbesondere von Energie- und Rohstoffpreisen geht vielfach schon über das hinaus, was die Unternehmen tragen können", klagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Um so wichtiger sei es, mit der Geldpolitik gegen die Erwartung einer lang anhaltenden Inflation anzugehen.

"Der Euroraum muss sich auf eine längere Phase mit erhöhter Inflation einstellen", warnte auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Christian Ossig. Die Entscheidung der EZB sei deshalb richtig und konsequent, die Anleihenkäufe im Sommer zu beenden. Das reiche allerdings noch nicht: Das Ende der Negativzinsen müsse dieses Jahr kommen. "Je schneller die europäische Notenbank das entscheidet, desto klarer sind die damit verbundenen Signale an Tarifparteien, Investoren und Unternehmen. Das verhindert auch zusätzliche Risikoaufschläge bei Kapitalmarktzinsen und beim Euro-Wechselkurs", erklärte Ossig.

Die Banken müssen auch nach dem jüngsten EZB-Beschluss beim sogenannten Einlagesatz weiterhin 0,5 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten.

Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten eine Erhöhung der Leitzinsen im Euro-Raum im September oder im vierten Quartal dieses Jahres. Sie rechnen damit, dass der sogenannte Einlagesatz zeitgleich mit dem ersten Zinsschritt um 0,5 Prozentpunkte auf null gehievt wird: "Somit wird noch für das laufende Jahr ein Ende der negativen Notenbankzinsen erwartet", hieß es in dem Gutachten.

rtr