In Vorbereitung ist ein breit angelegter Aufkauf von Euro-Staatsanleihen - im Fachjargon "quantitative Lockerung" (QE) genannt. Auch wenn die Bundesbank einen solchen unkonventionellen Schritt weiterhin ablehnt, dürfte Draghi mittlerweile eine Mehrheit im EZB-Rat sicher haben.
Der vor allem an den Finanzmärkten mit Spannung erwartete EZB-Beschluss, der am nächsten Donnerstag verkündet werden könnte, hat bereits im Vorfeld für Turbulenzen gesorgt. Gerade erst musste die Schweizer Notenbank dem Druck nachgeben. Weil der Euro durch die Aussicht auf Anleihenkäufe immer mehr an Wert verliert, ist die Koppelung des Franken an die europäische Gemeinschaftswährung zu teuer geworden. In der Folge wertete der Franken massiv auf - gut für die Exportbranche in Deutschland und anderen Ländern der Euro-Zone.
An der Börse gilt die neuerliche Geldspritze der EZB inzwischen als ausgemachte Sache - entsprechend hoch ist allerdings auch das Risiko, sollte Draghi anders entscheiden. "Allein aus Gründen der Glaubwürdigkeit scheint QE unvermeidbar", so die Volkswirte der Großbank UniCredit. Auch Helaba-Analyst Ulrich Wortberg geht fest davon aus, dass die EZB liefern wird. "Die Frage ist jetzt, wie die Details und das Volumen aussehen werden." Die UniCredit-Experten erwarten mindestens 500 Milliarden Euro für Staatsbonds und zusätzliche bis zu 250 Milliarden für Unternehmensanleihen sowie weitere Wertpapiere.
Draghis Kalkül hinter dieser ultra-lockeren Geldpolitik nach dem Vorbild der USA: Weiter fallende Bonds-Renditen sollen Banken dazu bringen, wieder in riskantere Anlageprodukte zu investieren und etwa mehr Kredite zur Verfügung zu stellen. Die derzeit lahmende Konjunktur in der Euro-Zone würde dadurch angekurbelt - und die Teuerungsrate wieder steigen. Die Gefahr eines Abwärtssogs aus fallenden Preisen, schwachem Konsum und schrumpfenden Investitionen - Deflation genannt - könnte abgewendet werden. In der Euro-Zone waren die Lebenshaltungskosten im Dezember erstmals seit mehr als fünf Jahren um 0,2 Prozent gefallen - das Inflationsziel der EZB liegt weit entfernt davon bei knapp zwei Prozent. Entsprechend groß ist mittlerweile der Handlungsdruck für die Euro-Währungshüter.
Auf Seite 2: DIW-Chef Fratzscher: Weshalb die EZB in die Vollen gehen sollte
DIW-CHEF FORDERT VOLLE BREITSEITE
Nach Ansicht des Berliner Ökonomen Marcel Fratzscher sollte Draghi gleich in die Vollen gehen. "Die EZB sollte versuchen, die Märkte zu überraschen und eher sofort auf die tausend Milliarden Euro zu gehen", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu Reuters. Dies sei über einen Zeitraum von zwei Jahren durchaus möglich. Die Summe entspräche rund zehn Prozent der Staatsanleihen der Euro-Zone, so der Ökonom, der bis 2012 für die EZB arbeitete - zuletzt als Abteilungsleiter für wirtschaftspolitische Analysen.
Über die Details des Programms wird nach wie vor heftig unter den Notenbankern gerungen. So muss geklärt werden, ob alle Staatsanleihen von der EZB gekauft werden oder ob auch die Zentralbanken der Länder auf eigenes Risiko Titel erwerben sollen. Auch die Frage, welche Papiere aufgekauft werden sollen und welche Bonität sie haben dürfen, muss beantwortet werden, wie auch eine mögliche Obergrenze. Eine Option dabei wäre, entsprechend der Größe und Wirtschaftskraft der Länder Bonds zu erwerben. Würden nur Titel mit dem höchsten AAA-Rating gekauft, wären nur ganz wenige Länder im Boot.
Weil viele technische Dinge noch geklärt werden müssen, könnte Draghi laut Experten am Donnerstag womöglich nur einen grundsätzlichen Beschluss präsentieren. Die Details würden dann bis zur darauffolgenden Ratssitzung am 5. März in Zypern ausgearbeitet.
Die Bundesbank steht QE seit langem kritisch gegenüber. Sie befürchtet, dass es an den nationalen Parlamenten vorbei zu einer Umverteilung der Risiken der Steuernzahler kommt. Zudem befürchtet Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, dass umfassende Staatsanleihenkäufe für hoch verschuldete Staaten als Absicherung gegen eine mögliche Pleite verstanden werden könnten. Der Reformeifer in den Ländern würde so gebremst. "Die Position der Bundesbank hat sich nicht geändert", sagte ein Insider. Experten gehen davon aus, dass die Gespräche über eine konkrete Ausgestaltung des Programms noch bis zur letzten Minute anhalten werden.
rtr