Manche Experten halten es aber für möglich, dass EZB-Präsident Mario Draghi bei der Konjunktureinschätzung dank zuletzt guter Wirtschaftsdaten optimistischere Töne anschlägt. An den Leitzinsen, die auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent liegen, oder den billionenschweren Anleihenkäufen wird die EZB aber wohl nicht rütteln.
Der Zeitpunkt der Ratssitzung könnte nicht ungünstiger sein, sagt etwa Ökonom Carsten Brzeski von der Bank ING-Diba. "Es ist hochgradig unwahrscheinlich, dass die EZB irgendetwas unternimmt, was die Markterwartungen zwischen der ersten und der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen beeinflussen könnte." In die Stichwahl am 7. Mai sind der europafreundliche Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und die Chefin des rechtsextremen Front National und erklärte Euro-Gegnerin, Marine Le Pen, eingezogen. Für die zweite Runde sagen Umfragen Macron eine deutliche Mehrheit voraus.
KONJUNKTURAUSBLICK KÖNNTE POSITIVER AUSFALLEN
Angesichts günstiger Konjunkturdaten für die Euro-Zone waren zuletzt vor allem aus Deutschland die Rufe nach einer Abkehr von der laxen Geldpolitik lauter geworden. Erst am Donnerstag hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Washington eine Kurswende der Zentralbanken in Europa und andernorts gefordert. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält die Diskussion für legitim, wann der EZB-Rat die Normalisierung in den Blick nehmen sollte. Draghi bekräftigte am Freitag aber seine Sichtweise, dass die massive geldpolitische Konjunkturhilfe immer noch erforderlich sei.
Die unkonventionellen Maßnahmen der EZB sind eine Reaktion auf die Finanz- und Staatsschuldenkrise. So sollen die Mini-Zinsen für günstige Finanzierungsbedingungen sorgen. Auch die Anleihenkäufe sollen die Konjunktur und die Inflation anheizen. Inzwischen greift die Erholung in der Euro-Zone immer mehr um sich. So kletterte beispielsweise der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - im April auf den höchsten Wert seit Frühjahr 2011. Auch die Kauflaune der Verbraucher verbesserte sich zuletzt stärker als erwartet. Daher steht am Donnerstag insbesondere der Konjunkturausblick der Notenbank im Fokus.
Der Markt könne sich bis zur EZB-Sitzung mit der Verarbeitung der französischen Wahl beschäftigen, so Analyst Christoph Kutt von der DZ Bank. "Die EZB werde sich zwar nicht zur noch laufenden Wahl in Frankreich äußern, kann dies aber indirekt im Rahmen der Bewertung der konjunkturellen Risiken tun," erläutert der Experte. Nach Einschätzung von Greg Fuzesi, Volkswirt bei der Großbank JP Morgan, könnte die Notenbank beispielsweise ihre Einschätzung der Wachstumsrisiken überarbeiten. Aktuell geht die EZB davon aus, dass die konjunkturellen Risiken zwar weniger ausgeprägt sind als noch zuletzt - die Gefahren würden aber nach wie vor überwiegen. "Es ist möglich, dass die Wachstumsrisiken nun als 'ausgeglichen' eingeschätzt werden oder zumindest, dass nun gesagt wird, dass diese sich 'noch weiter verringert' haben."
Ökonom Marco Valli von der Großbank Unicredit glaubt, dass die Sitzung am Donnerstag vor allem als Brücke für das Ratstreffen im Juni genutzt wird. Seine Prognose: "Falls die Franzosen, was nun sehr wahrscheinlich scheint, einen Mainstream-Präsidenten wählen, wird die EZB am 8. Juni voraussichtlich etwas weniger vorsichtig sein."
rtr