Die Aussagen von Draghi gaben dem Aktienmarkt kräftig Auftrieb. Der Leitindex Dax weitete seine Gewinne aus und stieg in der Spitze um 2,6 Prozent auf ein Tageshoch von 10.312 Zähler. Der Euro rutschte um mehr als einen US-Cent auf 1,1108 Dollar von 1,1230 Dollar.
"Zuletzt sind erneut Gefahren für das Wachstum und den Inflationsausblick aufgetreten", sagte Draghi. Die aktuellen Entwicklungen in den Schwellenländer hätten das Potenzial, das globale Wachstum zu bremsen. Insbesondere die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft könnte sich negativ auf die Handelskanäle auswirken und auch andere Volkswirtschaften in der ganzen Welt schwächen. Dazu komme, dass die gesunkenen Rohstoffpreise und ein zuletzt erstarkter Euro es schwerer machten, dass sich die Inflation im Währungsraum wieder nachhaltig in Richtung der Zielmarke zwei Prozent bewege.
In diesem Jahr erwartet die EZB kaum noch steigende Preise im Währungsraum. Sie senkte ihre Prognose auf 0,1 von 0,3 Prozent. "Wir könnten in den nächsten Monaten negative Inflationszahlen sehen", sagte Draghi. Er ließ aber offen, ob dies bereits eine Deflation sei - also ein gefährliches Abrutschen der Preise auf breiter Front. Für 2016 rechne die EZB jetzt noch mit einem Preisanstieg von 1,1 (bisher: 1,5) Prozent, für 2017 von 1,7 (1,8) Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum werde in diesem Jahr nur noch um 1,4 (1,5) Prozent zulegen. Für 2016 peilen die Währungshüter nun ein Plus von 1,7 (1,9) Prozent an - für 2017 von 1,8 (2,0) Prozent.
Im August lag die Teuerung in der Währungsunion nur bei 0,2 Prozent - Ziel der Währungshüter ist aber eine Rate von knapp unter zwei Prozent. Diesen Wert sieht die Notenbank als ideal für die Wirtschaftsentwicklung.
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Angesichts der gestiegenen Gefahren schließt Draghi eine nochmalige Lockerung der Geldpolitik nicht aus. "Das Wertpapier-Kaufprogramm bietet hinreichend Flexibilität, was die Änderung von Umfang, Zusammensetzung und Laufzeit angeht", sagte Draghi. Bereits jetzt setzten die Währungshüter das Kauflimit je Emission von 25 Prozent auf 33 Prozent herauf. Den monatlichen Umfang der Wertpapierkäufe von 60 Milliarden Euro will die EZB laut Draghi voll ausschöpfen.
"Die EZB hat deutlicher als erwartet ihre Projektion für Wachstum und Inflation gesenkt", sagte etwa Alexander Krüger, Volkswirt beim Bankhaus Lampe. Mit dem Hinweis darauf, dass es bei den geldpolitischen Möglichkeiten keine Grenzen gebe, habe Draghi angedeutet, dass die EZB willens sei, demnächst mehr zu tun als das bisher Angekündigte. Der EZB-Chef seit darum bemüht, keinen Zweifel an der Handlungsbereitschaft der Notenbank aufkommen zu lassen, sagte Ralf Umauf von der Helaba.
Die Währungshüter fluten bereits seit März das Finanzsystem durch den Kauf von Staatsbonds der Euro-Länder jede Woche mit Milliarden. Das vor allem in Deutschland umstrittene Programm soll bis Laufzeitende im September 2016 ein Volumen von 1,14 Billionen Euro haben. Anleihen sollen dadurch für Banken als Investment unattraktiver werden. Stattdessen sollen die Institute mehr Kredite vergeben, was die Konjunktur positiv beeinflussen und die nach EZB-Sicht unerwünscht niedrige Inflation antreiben würde.
Das Anleihenkaufprogramm trägt bereits an einigen Stellen Früchte - insbesondere die Kreditvergabe im Währungsraum hatte sich zuletzt verbessert. So reichten Banken im Juli an Firmen außerhalb der Finanzbranche 0,9 Prozent mehr Kredite aus als ein Jahr zuvor - im Juni hatte das Plus nur bei 0,2 Prozent gelegen .
Reuters