Es fängt klein an: Nur eine "Investition von 250 Euro" sei nötig, um "ganz einfach von zu Hause" Tausende Euro daraus zu machen. So das Versprechen der Trading-Plattform fx-leaders.com. Möglich sei das mit speziellen Hebelprodukten namens CFDs. Die Plattform sah seriös aus, hatte scheinbar einen Video-Ident-Vorgang. Wer einzahlte, sah, wie sein Geld in Papiere für Gold, Öl oder Bitcoin wanderte. Und Gewinne machte.

Dann riefen selbsternannte Broker an und schlugen vor, mehr einzusetzen. Ein Rentner zum Beispiel zahlte nach und nach 250.000 Euro ein. Und verlor alles. Denn das Ganze war Betrug; das Geld wurde nie angelegt.

Die Plattform trieb einigen Aufwand: Sie schaltete Anzeigen mit gefälschten Zitaten von Prominenten und baute angebliche Online-Artikel der "Bild"-Zeitung nach: Dort wurde Bezug genommen auf die Fernsehshow "Die Höhle der Löwen". In der Sendung, die auf Vox läuft, prüfen Investoren, ob sie Geld in junge, aufstrebende Firmen stecken. Auf der Fake-Seite hieß es mit Verweis auf die Jurorin Judith Williams, bekannt als Moderatorin des Einkaufskanals HSE24, in einer Folge von "Die Höhle der Löwen" sei das Investmentprinzip vorgestellt worden - dürfe jetzt aber "nicht ausgestrahlt werden".

Die Betrüger gingen professionell vor, beschäftigten Hotlines und Marketingfirmen. Und betreiben offenbar ein ganzes Netz solcher Websites: Nach zwei Jahren Ermittlung stießen die Staatsanwaltschaften auf 85 Betrugsplattformen und konnten jetzt mehrere davon sperren. Allerdings stehen insgesamt 250 unter Verdacht. Deutsche Ermittler durchsuchten zusammen mit Eurojust und Europol Gebäude in Bulgarien, der Ukraine, Zypern und den Niederlanden.

Mario Krause, Leiter des Fachkommissariats Cybercrime in Braunschweig, sprach auf einer Pressekonferenz der beteiligten Behörden von "Zehntausenden Opfern" die "vermutlich mehrere Hundert Millionen Euro verloren" hätten. Schätzungen zufolge sei durch die mehr als 170 Plattformen eines IT-Unternehmens aus der Ukraine ein Gesamtschaden von 500 Millionen Euro pro Jahr entstanden, sagte der Leitende Ermittler aus Rostock, Martin Schmidtke. Durch die Abschaltung der vermeintlichen Handelsplattformen seien mehrere Zehntausend Anleger vor weiteren Schäden bewahrt worden.

Bislang sei allein in Deutschland ein Vermögensschaden von etwa 15 Millionen Euro nachgewiesen, hieß es auf der Pressekonferenz. Für die Geschädigten hat die Polizei eine Hotline unter der Rufnummer (0531) 476 25 25 geschaltet, über die sie erfahren, was sie unternehmen können. Weitere Hinweise erhalten sie auch über die Internetseite des Landeskriminalamts Niedersachsen (polizei-praevention.de). Dort sind unter anderem die Plattformen des Netzwerks gelistet, die den Ermittlungsbehörden bislang als kriminell bekannt sind.

Gefälschte Seiten, die mit Prominenten für Investments werben, haben eine unschöne Tradition. So hatte die angebliche Firma "Bitcoin Trader" im Jahr 2018 eine Seite von zeit.de, dem Online-Auftritt der Wochenzeitung "Die Zeit", nachgebaut. Dort wurde ebenfalls auf "Die Höhle der Löwen" Bezug genommen. Recherchen des Medienportals meedia.de ergaben damals, dass es sich um eine komplette Fälschung handelte.

Neben Judith Williams besonders im Fokus: Mitjuror Carsten Maschmeyer, Gründer des früheren Finanzvertriebs AWD. So hat Williams während einer Präsentation - dem sogenannten Pitch - laut Fake-Seite probeweise 250 Euro investiert und innerhalb von drei Minuten einen Gewinn von 73 Euro verzeichnet. Maschmeyer soll daraufhin gesagt haben: "Ich mache ein Zwei-Millionen-Euro-Angebot für 25 Prozent." Meedia.de hatte bei Maschmeyer nachgefragt und zitiert ihn so: "Wir haben intensiv nachgeprüft: Einen solchen Pitch hat es nicht gegeben, es ist also ein Fake."

Ebenfalls betroffen von den Manipulationen ist Frank Thelen, einer der prominentesten deutschen Internet-Investoren und ebenfalls Juror der Fernsehsendung. Wie das Portal gruenderszene.de berichtete, wurde auf einer gefälschten Seite ein Video veröffentlicht, in dem der Anschein erweckt wurde, dass Thelen 500.000 Euro in ein automatisiertes Handelsprogramm für Bitcoins gesteckt habe. Thelen schrieb daraufhin auf Facebook, dass man sich vor dem Betrug in Acht nehmen sollte und dass er rechtliche Schritte eingeleitet habe. Weitere prominente Opfer sind die Moderatoren Günther Jauch und Jürgen Lippert.