"Wir sehen Chancen, wir sehen aber auch Herausforderungen", sagte Lindner. Es gebe "unverändert große inhaltliche Unterschiede", die es nun zu überwinden gelte. Eine Ampelkoalition wäre zu Beginn sicher eher ein "Zweckbündnis", sagte Lindner. "Ob daraus mehr werden kann, das liegt an allen Beteiligten." Erforderlich seien "sehr viel Toleranz und Bereitschaft zu neuem Denken".

Die Sondierungsteams der drei Parteien hatten sich am Freitag auf ein gemeinsames Papier verständigt, das Grundlage für Koalitionsverhandlungen sein soll. Der SPD-Vorstand billigte die Aufnahme der formellen Gesprächen noch am selben Tag, die Grünen folgten auf einem kleinen Parteitag am Sonntag. Das weitere Vorgehen solle nun von den Generalsekretären erörtert werden, sagte Lindner. Begonnen werde mit den Gesprächen aber noch in dieser Woche. Ziel ist, dass die neue Bundesregierung vor Weihnachten vereidigt wird.

Lindner betonte, die neue Regierung müsse ein "Gewinn für Deutschland" sein. Der FDP-Chef warnte zugleich, das Ergebnis der Bundestagswahl vom 26. September sei kein "Linksruck" gewesen. Er sei sicher, dies wüssten auch die Gesprächspartner von SPD und Grünen. Die mögliche neue Ampelkoalition müsse daher eine "Regierung der Mitte" sein. "Dafür ist die FDP der Garant", sagte Lindner und betonte, dass die Liberalen dabei auch die Interessen der Menschen im Auge hätten, die bei der Wahl für die Union gestimmt hätten.

Zu inhaltlichen Fragen oder Personalien wollte Lindner nicht Stellung nehmen, diese seien nun Gegenstand der Verhandlungen. Er lobte lediglich die Bereitschaft von SPD und Grünen, in ein teilweise vom Kapitalmarkt gedecktes Rentensystem einzusteigen. Zu seiner viel beachteten Äußerung am Sonntag, wonach es als Kraftzentrum in der neuen Regierung neben Kanzleramt und Finanzministerium auch ein neues Klimaministerium geben solle, sagte Lindner: "Das war ein Versehen."

"VERANTWORTUNGSVOLLE AUFGABE"


Die Frage der Besetzung von Ministerien hatte am Wochenende für Diskussionen gesorgt. Lindner hat mehrfach seinen Anspruch auf das Schlüsselressort Finanzen deutlich gemacht. Die Grünen wollen den Posten aber nicht kampflos räumen. Der Grünen-Politiker Danyal Bayaz schrieb auf Twitter, Partei-Co-Chef Robert Habeck sei die Idealbesetzung als Finanzminister, das faktisch ein Veto-Recht hat. "Er hat sich nicht erst seit gestern gründlich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet." Auch der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold, der zum Sondierungsteam der Partei gehörte, betonte die Bedeutung des Finanzministeriums, etwa auch in der Klimapolitik.

Die SPD würde in der neuen Regierung als stärkste Partei mit Olaf Scholz den Kanzler stellen. Das zweite Zugriffsrecht hätten dem Wahlergebnis zufolge eigentlich die Grünen, bevor die FDP an der Reihe wäre. Nach dem Kanzleramt war als zweites Ressort traditionell das Auswärtige Amt gesetzt. Bei der Bildung der schwarz-gelben Regierung 2009 hatte der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle das Amt des Außenministers übernommen. Mittlerweile gilt das Finanzministerium aber als weitaus einflussreicher.

rtr