Die Hängepartie um eine europaweit einheitliche Steuer auf den Handel von Aktien geht weiter. Private Investoren werden wohl zu den Verlierern gehören

von Christoph Boschan, Geschäftsführer der Boerse Stuttgart Holding

Zuletzt hat sich die französische Regierung bewegt und einem möglichst breiten Anwendungsbereich bei sehr niedrigen Steuersätzen zugestimmt. Zudem soll Österreich die Koordination auf EU-Ebene übernehmen und so die Einführung der Steuer weiter vorantreiben. Ob das der Durchbruch war, wird sich zeigen. Für Privatanleger war es das sicher nicht.

Um das zu verdeutlichen, genügt ein Blick auf die Erfahrungen mit den Transaktionsteuern in Frankreich und Italien. Sie wurden dort im August 2012 und im März 2013 eingeführt. Für Frankreich hat eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie und der Börse Stuttgart im Februar 2013 die Auswirkungen auf Handelsaktivitäten untersucht - bereinigt um saisonale und marktweite Effekte: An der Euronext Paris sank das durchschnittliche Handelsvolumen der von der Steuer erfassten Aktien der größten französischen Unternehmen in den ersten sechs Monaten nach Einführung um rund 18 Prozent. Die durchschnittliche Zahl der täglichen Transaktionen schrumpfte um 19 Prozent. Im Klartext: Die Anleger hielten sich aufgrund der gestiegenen expliziten Transaktionskosten deutlich zurück.

Ein ähnliches Bild ergab sich auch in Italien, wo die Finanztransaktionsteuer zunächst alle italienischen Aktien mit einer Marktkapitalisierung von über 500 Millionen Euro betraf. Nach der Einführung ging beim italienischen Onlinebroker Directa die Zahl der zu besteuernden Trades verglichen mit den beiden Vormonaten um 14 Prozent zurück, das tägliche Ordervolumen sogar um 18,6 Prozent. Ein Vergleich der Transaktionskosten zeigte, dass Directa-Kunden im Januar und Februar 2013 pro Transaktion 3,22 Euro bezahlten, ab März jedoch 4,58 Euro. Damit stiegen die Kosten für private Anleger um 42 Prozent.

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Werden sich solche Belastungen bald in den übrigen teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten wiederholen? Wovor deutschen Privatanlegern grausen dürfte, ist für die Politik kein Thema. Dabei muss man sich nochmals die Argumente für die Einführung der Steuer auf nationaler Ebene vor Augen halten: Man wolle Erkenntnisse sammeln, um bei einer europäischen Lösung Negativeffekte zu vermeiden. Doch die offensichtlichen Schwachpunkte werden in den aktuellen EU-Plänen nicht beseitigt. So steht zu befürchten, dass Widerstände zunächst auf nationaler Ebene überwunden werden sollten, um die Finanztransaktionsteuer dann in der Breite einzuführen. Und ist die Steuer erst einmal da, so ist deren schrittweise Erhöhung nur noch eine Frage der Zeit. Den Staaten sind die Nachteile der Steuer dabei wohl durchaus bewusst: Ihre eigenen Finanzierungsinstrumente, die Staatsanleihen, haben sie kurzerhand von der Steuer ausgenommen.

Dabei wären Ausnahmen für private Anleger viel wichtiger, um Zusatzbelastungen wie in Frankreich und Italien zu vermeiden. Denn Privatanleger trifft keine Schuld an der zurückliegenden Finanzkrise, für deren Bewältigung sie dennoch zur Kasse gebeten werden. Außerdem investieren sie aus bereits versteuertem Arbeitseinkommen und tragen die Kapitalertragsteuer. Im deutschen Koalitionsvertrag ist zwar vereinbart, dass die Steuer Privatanleger nicht beeinträchtigen darf. Wie das umgesetzt werden soll, sagt die Bundesregierung jedoch bis heute nicht. Dabei liegen praktikable Vorschläge auf dem Tisch. Nicht nur erhöhte Freibeträge im Rahmen der Kapitalertragsteuer sind denkbar, sondern auch die Anrechnung der Finanztransaktionsteuer auf die Kapitalertragsteuer. Der einfachste Weg wäre, alle kapitalertragsteuerpflichtigen Anleger von der Transaktionsteuer auszunehmen und nur körperschaftsteuerpflichtige Marktteilnehmer zu besteuern. Möglich wäre zudem eine Besteuerung erst ab einer bestimmten Auftragsgröße oder einer bestimmten Anzahl von Transaktionen pro Jahr. Ansatzpunkte sind gegeben - nun muss in der Politik nur noch die Einsicht reifen, dass die Erfahrungen in Frankreich und Italien nicht wiederholungswürdig sind.

Christoph Boschan

Der promovierte Jurist ist seit 2012 Vorstandsmitglied der Boerse Stuttgart AG, verantwortet das Ressort Börsenbetrieb und Informationstechnologie und ist zugleich Geschäftsführer der Boerse Stuttgart Holding GmbH. Bereits seit 2010 war er als Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse tätig. Zuvor arbeitete er bei verschiedenen Finanzdienstleistern und Börsen unter anderem als Broker.