Aber es half nichts: Am Wochenende forderte auch die Junge Union Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kreises Mittelstand der Union (PKM), Christian von Stetten, heizte zugleich die Debatte mit Forderungen nach Grenzschließungen an. Und aus Bayern poltert Heimatminister Markus Söder (CSU), dass die grüne Grenze zu Österreich dicht gemacht werden müsse - "egal wie".

Dabei hatte der CDU-Teil der Bundesregierung - Merkel, Altmaier, Innenminister Thomas de Maiziere, aber auch Fraktionschef Volker Kauder - alle genannten Forderungen am Wochenende mit einem klaren "Nein" beantwortet. Aber angesichts der täglichen Ankunft weiterer tausender Migranten in Deutschland befindet sich die Kanzlerin mittlerweile in einem Wettlauf mit der Zeit: Sie muss schnell liefern und die Zahlen der Neuankömmlinge reduzieren, sonst könnte die Stimmung in ihrer Partei kippen.

Selbst ein treuer Anhänger wie der schleswig-holsteinische CDU-Landesvorsitzende Ingbert Liebing sagt: "Falls das Ziel misslingt, müssen wir notfalls auch über einen Schutz der nationalen Grenzen nachdenken." Das Problem: Trotz ununterbrochener Abstimmungen Merkels in der Türkei und auf dem EU-Gipfel sowie den Vermittlungsversuchen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Syrien-Konflikt besteht eine zeitliche Kluft zwischen dem international Machbaren zur Eindämmung des Flüchtlings-Zustroms und den täglichen Problemen auf lokaler Ebene.

KOPFSCHÜTTELN ÜBER DIE RECHTSAUSSEN IN DER PARTEI

"Nerven bewahren" war deshalb der gemeinsame Appell Merkels, Kauders und de Maizieres in den vergangenen Unions-Fraktionssitzungen, in denen zuletzt nach Schätzungen von Teilnehmern etwa ein Fünftel den vor allem von den Innenpolitikern geforderten härteren Kurs befürwortete. Statt dauernd neue, aus Sicht der CDU-Spitze nicht umsetzbare Ideen vorzubringen, solle man sich auf die Umsetzung des gerade erst beschlossenen Asylpakets und das angedachte Konzept der grenznahen Transitzonen konzentrieren.

Doch die Nervosität vieler Unionspolitiker ist groß. In fast jedem Wahlkreis gibt es mittlerweile überforderte Gemeinden und zudem rechte Gruppen, die eine aggressive Stimmung schüren. "Menschlich ist die Nervosität verständlich", räumt ein Mitglied der Unions-Fraktionsführung ein. "Gerade weil es keine schnellen Lösungen gibt, wächst der Wunsch danach." Besonders in Ländern mit Landtagswahlen im März 2016 schaut man mit Nervosität auf eine Entwicklung, in der die rechtspopulistische AfD Zulauf erhält - auch wenn von einem wirklichen Einbruch der CDU in Umfragen bisher mit Werten um die 38 Prozent nichts zu sehen ist.

Wie schon beim Thema Griechenland drohe nun, dass mehr und mehr Parlamentarier ihre Rolle nur darin sähen, die Ängste der Basis einfach nach Berlin weiterzugeben statt der Basis zu erklären, warum es zu dem Vorgehen der Bundesregierung keine Alternative gebe, lautet die alarmierende Analyse in der Parteizentrale. Dieser Mangel an Unterstützung durch die Fraktion ist eine Erklärung für die mediale Offensive von Merkel, Altmaier und de Maiziere, die derzeit zu Dauergästen im Fernsehen und auf Parteiveranstaltungen werden.

RINGEN UM RICHTIGE STRATEGIE IN BADEN-WÜRTTEMBERG

Mittlerweile nimmt allerdings auch die Verärgerung der moderaten CDU-Politiker über den rechten Rand in der Union zu - besonders in Baden-Württemberg, wo im März gewählt wird. Mehrere Dutzend CDU-Oberbürgermeister haben einen offenen Brief geschrieben, um den Kurs der Kanzlerin zu unterstützen. "Der PKM-Vorsitzende von Stetten ist nicht seriös und torpediert mit seiner Dauerkritik an Merkel auch den angestrebten CDU-Wahlerfolg bei der Landtagswahl", giftet zudem ein baden-württembergischer Bundestagsabgeordneter, der namentlich nicht genannt werden will. Sogar der innenpolitische Sprecher der Union, Stephan Mayer (CSU), distanzierte sich von angeblichen neuen Plänen aus der Fraktion zu Grenzschließungen.

Nur ändert das nichts an der kritischen Grundstimmung, dass die Regierung und eben auch Merkel in der Flüchtlingsfrage endlich liefern müssten. Wie sehr die Verunsicherung in der Union um sich greift, zeigt die Warnung von EU-Kommissar Günther Oettinger an die Junge Union. Der ebenfalls aus Baden-Württemberg stammende CDU-Politiker mahnte den Parteinachwuchs, jetzt nicht lustvoll und selbstzerstörerisch eine Führungsdebatte loszutreten. Denn bereits zweimal wurde auf CDU-Veranstaltungen offen die Autorität und sogar die Kanzlerschaft Merkels infrage gestellt - vom bayerischen JU-Nachwuchs und vergangene Woche bei einer Parteiveranstaltung in Schkeuditz in Sachsen.

Aber dass Oettinger oder der thüringische CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring überhaupt auf die Frage eingehen, warum die CDU Merkel halten muss, zeigt das Problem der Kanzlerin. Bisher galt es bis hin zu CSU-Chef Horst Seehofer als unbestritten, dass Merkel die größte Garantie für einen erneuten Sieg bei der Bundestagswahl 2017 ist.