Herr Böttcher, die fünf UNO-Vetomächte sowie Deutschland haben den Atomstreit mit dem Iran beendet. Das Atomabkommen wird jedoch von Israel, Saudi-Arabien aber auch von Republikanern und Demokraten im US-Kongress heftig kritisiert. Ist die Umsetzung des Deals gefährdet?
Die Opposition gegen das Abkommen ist in der Tat sehr stark, alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten verurteilen die Einigung. Auch der israelische Ministerpräsident Netanjahu intensiviert die Lobbyarbeit, um das Abkommen zu verhindern. Für den Fall, das der US-Kongress Ende September nicht zustimmt, hat US-Präsident Obama jedoch sein Veto angekündigt.
Sein Veto könnte aber durch eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Kongresses gebrochen werden.
Richtig, doch das ist eher unwahrscheinlich. Der Atomdeal, der ja auch von Russland und China stark befürwortet wird, ist zwar noch nicht in trockenen Tüchern. Aber die Aussichten, das die Vereinbarungen tatsächlich umgesetzt werden, waren noch nie so gut wie heute.
Tritt das Atomabkommen in Kraft, wird der Westen schrittweise die gegen das Land erlassenen Wirtschaftssanktionen aufheben. Wie kann das Land -davon profitieren?
Der Iran kann dann sehr schnell seine Ölproduktion hochfahren. Aktuell werden rund 2,7 Millionen Barrel pro Tag gefördert, die Menge könnte auf vier Millionen gesteigert werden. Der Ölpreis würde möglicherweise durch die erhöhte Ausbringungsmenge sinken, dennoch würde das Land seine Exporteinnahmen -erhöhen. Zudem sind rund 120 Milliarden Dollar des Irans auf -Auslandskonten eingefroren, das sind rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Wie wird Teheran die Mittel voraussichtlich verwenden?
Einen großen Teil dürfte der Staat in die Wirtschaft investieren, um Infrastruktur und veraltete Industriebetriebe zu modernisieren. Jährliche Wachstumsraten von sechs bis acht Prozent sind vorstellbar. Durch die Aufhebung der Handelsbeschränkungen können aber auch westliche Unternehmen ihre Exporte kräftig erhöhen.
Was macht den Iran für ausländische Investoren attraktiv?
Das Land besitzt nicht nur Öl- und Gasreserven. Die Wirtschaft ist im Vergleich zu anderen Schwellenländern der Region breit diversifiziert. Insbesondere die Automobilindustrie ist sehr weit entwickelt. Die Diversifizierung schreitet weiter fort. In den kommenden Jahren wird der Ölanteil an den Staatseinnahmen nach Angaben des Internationalen Währungsfonds von aktuell 45 auf 31 Prozent sinken. Auch lässt sich das wissenschaftliche Niveau iranischer Unis mit westlichen Eliteuniversitäten durchaus vergleichen. Der Iran verfügt über sehr gut ausgebildete Fachkräfte. Die wirtschaftliche Dynamik ist zudem hoch. Seit der Revolution im Jahre 1979 ist das Brutto-inlandsprodukt um 330 Prozent gestiegen, das jährliche Pro-Kopf-Einkommen hat sich seitdem verdoppelt. Mit 17 000 Dollar liegt das Land vor China, Brasilien, Südafrika oder Indonesien. Nach der Aufhebung der Sanktionen dürften die Einkommen weiter steigen.
Wie sehen die Finanzkennzahlen aus?
Die Gesamtverschuldung beträgt gerade mal elf Prozent des Bruttoinlandprodukts. Zudem verfügt die iranische Zentralbank über 75 Milliarden Dollar an Devisenreserven.
Welches Wirtschaftssystem herrscht im Irak?
Mit westlichen Beurteilungsmaßstäben lässt sich das Land nur schwer einschätzen. Der Staatsanteil in der Wirtschaft ist sehr hoch, parallel dazu gibt es aber auch eine kapitalistische Marktwirtschaft. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Börse.
Die Freiheitsgrade in der Wirtschaft nehmen zu?
Ja, die Regierung will den Staatsanteil von aktuell 75 auf 20 Prozent reduzieren. Die Privatisierungen werden über die Börse erfolgen und den Kurszettel bereichern. Derzeit sind über 500 Unternehmen in Teheran gelistet, die Marktkapitalisierung beträgt rund 160 Milliarden Dollar, das tägliche Umsatzvolumen kann bis zu 120 Millionen Dollar erreichen.
Zusammen mit der iranischen Gesellschaft Turquoise Partners hat Charlemagne Capital nun den ersten Iran-Fonds aufgelegt. Wer soll ihn kaufen?
Der in Zypern domilizierte Fonds steht grundsätzlich jedem interessierten Investor offen, er hat aber keine Ucits-Zulassung. Aus steuerlichen Gründen macht es daher für deutsche Investoren wenig Sinn, sich zu engagieren. Wir hoffen aber, dass es nach der Aufhebung der Sanktionen nicht allzu lange dauert, bis die Voraussetzungen für eine Ucits-Zulassung gegeben sind. Dann könnten sich auch Privatanleger an einem vielversprechenden Markt engagieren.
Wer handelt an der Börse in Teheran?
Bislang sind es überwiegend iranische Privatinvestoren. Auch ausländische Anleger können sich engagieren, doch das ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. Durch die Kooperation mit Turquoise Partners ist der Zugang für uns problemlos möglich. Turquoise ist die größte Investmentgesellschaft im Iran.
Wie hat die Börse in Teheran auf den Atomdeal reagiert?
Die Kurszuwächse fallen noch moderat aus. Die Investoren warten erst mal die weitere Entwicklung ab. Der Aktienmarkt ist mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von sechs noch sehr günstig bewertet.
Ist der Iran ein Frontier Market oder ein Schwellenland?
Bislang gehört das Land aufgrund des schwierigen Marktzugangs für Ausländer keiner der Kategorien an. Werden die Beschränkungen aufgehoben, wird das Land wohl zunächst als Grenzmarkt eingestuft werden, dürfte dann aber relativ schnell unter Schwellenland firmieren.
Werden sich künftig vermehrt iranische Aktien in den Schwellenländerfonds finden?
Ja, wobei europäische Fondsanbieter gegenüber US-Gesellschaften sicherlich einen Vorteil haben werden.