Herr Wigh, der IWF warnte diese Woche vor steigenden Risiken in den Schwellenländern. Insbesondere eine Zinserhöhung in den USA würde die Staaten schwer treffen. Drohen dem Anlagesegment neue Turbulenzen?


Kristian Wigh: Ich denke nicht. Die Marktteilnehmer sind sich der von einer US-Zinserhöhung ausgehenden Risiken ja schon länger bewusst, diese ist weitgehend eingepreist. Eine Zinserhöhung von 25 Basispunkten muss Schwellenländerinvestoren daher nicht beunruhigen, vor allem dann nicht, wenn in den USA die Konjunktur anzieht und der Arbeitsmarkt wächst. Denn dies würde auch den Export der Schwellenländer beleben.

Derzeit sieht es aber eher danach aus, dass die Fed die Zinswende erst im kommenden Jahr einleitet.


Richtig. Wir glauben aber dennoch, dass in den kommenden sechs bis zwölf Monaten das Wachstum in den Emerging Markets wieder anzieht und sich auch die für viele Schwellenländer so wichtigen Rohstoffpreise erholen werden.

Wie haben Sie den Global Evolution Emerging Markets Debt auf das erwartete Szenario eingestellt?


In den ersten Monaten des Jahres waren wir überwiegend defensiv eingestellt, mittlerweile gehen wir wieder mehr ins Risiko, auch wenn das Schwellenländer- Wachstum mit im Schnitt rund vier Prozent weiterhin schwach ausfallen wird. Unserer Meinung nach haben sich die Spreads zu weit ausgeweitet, die Anleihekurse sollten daher wieder anziehen.

Ist es derzeit attraktiver, in Hartwährungsanleihen der Schwellenländer zu investieren, oder fahren Anleger mit "local currency bonds" besser?


Im Juni, Juli und August waren Hartwährungsanleihen sicherlich die bessere Wahl. Im Vergleich zum Dollar haben zahlreiche Währungen wie etwa der brasilianische Real, die türkische Lira oder der malaysische Ringgit erheblich an Wert verloren. Zum Euro übrigens fiel die Abschwächung deutlich geringer aus. Mittlerweile aber dürfte das weitere Abwertungspotenzial begrenzt sein. Wir sehen, dass europäische institutionelle Investoren verstärkt in Hartwährungsanleihen investieren, um angesichts niedriger Renditen für klassische Staatsanleihen das Portfolio zu diversifizieren. Auch steigt die Nachfrage seitens institutioneller Investoren nach den von uns angebotenen Local-currency-Strategien bei sicheren Staatsanleihen. Der Renditeabstand von US-Staatsanleihen zu Schwellenländerbonds beträgt immerhin 400 Basispunkte.

Warum hat insbesondere Brasiliens Real so stark verloren?


Zu dem Preisverfall bei Rohstoffen kommt eine schwache Binnenkonjunktur hinzu, zudem steigt die öffentliche Verschuldung weiter an. Vor allem aber leidet das Land unter einer politischen Krise. Gegen Präsidentin Dilma Rousseff wird wegen Korruption ermittelt, die Oppositionen strebt ein Amtsenthebungsverfahren an.

Rousseff hat dem angeschlagenen Staatskonzern Petrobras nun erlaubt, die Preise zu erhöhen. Zudem schafft sie mehrere Ministerien ab und kürzt Regierungsgehälter. Ist das der Beginn eines Reformprozesses?


Die Maßnahmen reichen nicht aus, um das verloren gegangene Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Zudem werden ihre Gesetzesvorhaben von der Opposition im Kongress nicht mitgetragen.

Wäre eine Ablösung Rousseffs im Sinne der Anleger?


Auch wenn sich dadurch das politische Risiko zunächst erhöhen dürfte, würden Investoren dies sicherlich begrüßen. Die Kurse brasilianischer Staatsanleihen und des Real sind unter anderem wegen der Aussicht auf einen möglichen politischen Wechsel zuletzt gestiegen.

S & P hat Brasilien jüngst auf Non-Investment-Grade herabgestuft. Werden Moody’s und Fitch folgen?


Das ist möglich, die Ratingagenturen haben ja bereits den Ausblick von "stabil" auf "negativ" gesenkt. Kommt es dazu, dann müssen sich viele institutionelle Investoren, die durch die Anlagevorschriften gehalten sind, in sicherere Anleihen zu investieren, von den Papieren trennen. Um ein drohendes Downgrade zu vermeiden, müsste die fiskalpolitische Disziplin wesentlich erhöht werden.

Im Portfolio Ihres Fonds finden sich auch Anleihen des Iraks, der Elfenbeinküste und Sambias. Sind die Titel dieser Frontier Markets ausreichend liquide?


Aufgrund unseres Managementansatzes und der Höhe unserer Investments ist die Liquidität für uns kein Thema.

Was spricht für den Kauf einer Irak-Anleihe?


Die politischen Risiken sind natürlich sehr hoch. Wir sehen taktisch aber durchaus Chancen. Bagdad möchte in den kommenden beiden Jahren fünf bis sechs Milliarden Dollar am Kapitalmarkt einsammeln, davon allein in diesem Jahr vermutlich noch zwei Milliarden. Das Land wird sich unserer Meinung dabei auch an den IWF wenden müssen, der Mittel bekanntlich nur unter strengen Spar- und Reformauflagen vergibt. Falls das so kommt, wird sich insbesondere die bestehende Anleihe mit Fälligkeit 2028 positiv entwickeln.

Ebenso sind Sie in Kolumbien engagiert. Wirkt sich das Friedensabkommen mit der Rebellengruppe Farc positiv auf die Anleihekurse aus?


Ja, wir erwarten, dass dies zu einem jährlichen Wachstumsplus von rund einem Prozent führen kann. Doch schon jetzt zählt Kolumbien zu den wachstumsstärksten Volkswirtschaften in Lateinamerika. Im Fonds haben wir das Land höher gewichtet als in der Benchmark.

Werden Sie demnächst auch russische Staatsanleihen übergewichten?


Bislang sind wir nicht investiert. Davon abgesehen sind wir der Meinung, dass Putins Eingreifen in Syrien auch den Zweck verfolgt, den Westen zu einer Lockerung der Sanktionen zu bewegen. Das sollte den Rubel stabilisieren und das Wachstum beleben, was ein Investment für uns interessant machen könnte.

Was können Anleger erwarten, die in den Global Evolution EM Debt investieren?


Bislang weist der Fonds seit Jahresanfang ein kleines Minus auf. Der Fonds hat zuletzt wieder deutlich zugelegt. In den nächsten Wochen werden wir sehen, ob es sich bei der Marktentwicklung in den vergangenen Wochen nur um eine technische Erholung handelt oder ob die Entwicklung auch fundamental begründet ist.

Im Profil


Kristian Wigh stieß im Jahr 2012 zu der auf Emerging Markets konzentrierten dänischen Fondsgesellschaft Global Evolution. Er trägt die Verantwortung ür die Anlagestrategie Schwellenländer mit Fokus auf Hartwährungsanleihen und managt den Global Evolution Emerging Market Debt (ISIN: LU0616502026) Zuvor arbeitete Wigh als Analyst für Mergermarket (FT Group) und für Danske Capital. Wigh studierte Finanzwissenschaften.