Manchmal ist es ja so, dass sich die Märkte ihre Zukunft selbst schaffen. Klingt vielleicht seltsam, hat aber durchaus etwas Plausibles. Im Englischen wird so etwas Selffulfilling Prophecy genannt: eine sich selbst erfüllende Voraussage. Und aktuell könnte dies durchaus der Fall sein: Die schlechteste Januar-Entwicklung an den Aktienmärkten seit langer Zeit führt nun vielleicht zu einer Boom-Bust-Angst, also zu einer Furcht vor einem verheerenden Crash nach einer Blase. Und genau diese Angst würde die Dinge noch viel schlimmer machen, weil dann alles Richtung Ausgang rennt.
Diese Möglichkeit zieht zumindest Lukas Daalder in Betracht, der Chefanleger beim Geldverwalter Robeco. "Entwicklungen an den Finanzmärkten können sich quasi verselbstständigen und auf die Realwirtschaft übertragen", so Daalder. Und das wäre insofern tragisch, als die rationalen Gründe dies eigentlich gar nicht hergeben. Denn die Ursachen für den Börsensturz, die immer wieder genannt werden - China, Öl, der Hochzinsanleihemarkt - beruhen auf zumindest fragwürdigen Annahmen.
Das große Risiko, das Daalder sieht, wäre ein Kreditereignis, das vorübergehend die Kreditmärkte lahmlegen könnte. So könnte ein weiterer Rutsch beim Ölpreis zur Zahlungsunfähigkeit von Ölunternehmen führen, was Förderländer vor immense Probleme stellt, was wiederum Hedgefonds oder Geldverwalter nach unten zerrt - man erkennt den Dominoeffekt. Die Liquidität verschwände so aus den Märkten, brächte damit unter Umständen sogar gesunde Unternehmen in Bedrängnis, und das bisher eigentlich abwegige Szenario einer Rezesssion wäre plötzlich doch nicht mehr so abwegig.
Wie emotional derzeit an den Märkten agiert wird, zeigten gerade die zurückliegenden Tage. So wurden etwa die Wechselkursbewegungen beim japanischen Yen zuletzt immer wilder - vor allem als die Märkte in Tokio wegen eines Feiertags geschlossen waren. Am Wochenende gab es dann erneut schwache Außenhandelszahlen aus China - und trotzdem stiegen die Märkte am Montag stark an, insbesondere in Europa.Daalders Boom-Bust-Angst bekommt demnach ein Geschwisterchen, nämlich die Angst der Anleger, das Tief an den Aktienmärkten und damit den bestmöglichen Einstand zu verpassen.
Die Korrektur, so viel steht fest, ist heftig. Manche etikettieren das Ganze als Crash, andere als Bärenmarkt. Indes sind Kurseinbrüche von zehn oder 15 Prozent nicht selten. Nur ist es ja so, dass es seit 2009 eher wenige davon gab - Anleger waren also über Jahre recht verwöhnt von den so stetig und schier endlos steigenden Notierungen. Vielleicht sei daher auch die Boom-Bust-Angst jetzt größer als im Jahr 2000, so Daalder. "Kursbewegungen sind daher oft stark übertrieben und fallen stärker aus als in der Vergangenheit."
Bleibt die Gretchenfrage: War es das nun mit dem Tief im DAX? Reichen die erreichten 8700 Punkte? Geht es ab sofort wieder aufwärts? Fakt ist, dass etliche Unternehmen durch den Kursrutsch richtig billig geworden sind. Fakt ist aber auch, dass die bisherige Korrektur zwar heftig war, sich aber keine ausgeprägte Panikstimmung breitgemacht hat. Und das ist insofern beachtenswert, weil es meist einer solchen Panik, einer Ausverkaufsstimmung, bedarf, damit die Kurse wirklich einen tragfähigen Boden finden. Es bleibt also dabei: Es ist nicht verkehrt, nach und nach strategische Investments zu starten.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com