In dem Tarifkonflikt haben zuletzt auch die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Stephan Weil (SPD) und Daniel Günther (CDU) vermittelt. Die mit der GDL konkurrierende größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kündigte an, sie werde ihren 2020 mit der Bahn erreichten Tarifabschluss kündigen und nachverhandeln.
Die Lokführer haben mit drei Streikwellen den Personenverkehr zuletzt weitgehend lahmgelegt und auch im Güterverkehr für Beeinträchtigungen gesorgt. Der Konflikt war so festgefahren und die Fronten so verhärtet, dass letztlich nur eine Lösung durch Vermittlung von außen möglich war. "Hier steht ein Gewerkschaftsvorsitzender, der eine anstrengende Woche hinter sich hat", sagte GDL-Chef Claus Weselsky vor Reportern. Er sprach von einem guten Kompromiss und sagte mit Blick auf die Einigung bei der Altersvorsorge: "Die Rente ist sicher."
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler zeigte sich erleichtert, dass der gordische Knoten gelöst sei. Der Lohnabschluss berücksichtige das Engagement des Personals, die Folgen der Corona-Krise und Planbarkeit für das Unternehmen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lobte die Vermittlerrolle von Günther und Weil. "Entscheidend war ein Ergebnis und da danke ich allen Seiten", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Das ist für die Fahrgäste und für die Lieferketten im Güterverkehr ein wichtiges Signal für Deutschland." Mit Blick auf die Tarifautonomie sagte Scheuer: "Ich habe mich nicht eingemischt, aber ich habe mich gekümmert."
LÄNDER VERMITTELN - "SCHLAG INS GESICHT DER TARIFAUTONOMIE"
Die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hingegen bezeichnete das Engagement der Politik als "Schlag ins Gesicht der Tarifautonomie in Deutschland". EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel sagte, er habe vielmehr den Eindruck, dass man zwei Ministerpräsidenten abgestellt habe, "um den Vorstand der Bahn zu überwachen und zu beeinflussen, so dass es noch einen Tarifabschluss unmittelbar vor der Bundestagswahl geben soll".
Ein großer Knackpunkt des Konflikts war auch die Anwendung des umstrittenen Tarifeinheitsgesetzes (TEG) und damit die Machtfrage zwischen den beiden Gewerkschaften. Denn laut TEG gelten nur Tarifverträge mit Gewerkschaften, die in den jeweiligen Bahnbetrieben die Mehrheit haben. Laut Bahn gilt dies für die GDL nur in 16 von 300 Bahnbetrieben, für die EVG jedoch in 55 Betrieben. Bei 71 gibt es demnach Überschneidungen bei den Mitgliedern. Seiler sagte, man habe sich darauf geeinigt, dass TEG anzuwenden. Es gebe Tarifverträge mit der GDL für das Zugpersonal und erstmals auch für die Belegschaft in den Werkstätten und der Verwaltung bei bestimmten Firmen, nicht aber in der Infrastruktur.
Weselsky kündigte an, die GDL werde sich weiter bemühen, in anderen Bereichen mehr Mitglieder zu gewinnen, um dann Verträge für mehr Personal abschließen zu können. Wer die GDL daran hindere, dem sage er ganz klar: "Das werden wir uns von niemandem gefallen lassen." Zudem erklärte Weselsky zum TEG: "Ein guter Gewerkschafter kann nicht Frieden mit diesem Gesetz machen." Die GDL werde hier juristisch weiter vorgehen.
Die Konkurrenzgewerkschaft EVG, die bereits Ende 2020 in der Corona-Krise einen Sanierungstarifvertrag mit dem Staatskonzern geschlossen hatte, will nun nachverhandeln. Man werde die Sonderkündigungsklausel ziehen, sagte EVG-Chef Hommel. Die EVG erklärte sich zudem für streikfähig. "Die Tarifrunde ist zu Ende, wenn sie mit der EVG zu Ende ist", betonte Hommel. Bahn-Vorstand Seiler erklärte, kein EVG-Mitglied dürfe nach der Bahn-Einigung mit der GDL schlechter gestellt werden. Dies werde man rasch mit der EVG klären. Weselsky äußerte sich kritisch dazu: "Wir geben Millionen aus, gehen in den Streik, lassen uns beschimpfen, und am Ende des Tages dürfen wir zuschauen, wie der Tarifabschluss den anderen hinterhergetragen wird."
rtr