Unter dem Strich führen die neuen Schätzungen aber nur zu einer geringen Anpassung beim fairen Wert der Aktie. Das ursprüngliche, vom Bankhaus Lampe ausgegebene Kursziel von 40 Euro wurde um 1,50 Euro auf 38,50 Euro nach unten hin angepasst. Deutlich weniger als der Kurssturz vermuten lässt. Vor diesem Hintergrund erscheint der jüngste Ausverkauf daher übertrieben und eröffnet eine gute Gelegenheit für Schnäppchenjäger, auf einem günstigen Niveau einzusteigen. Denn gerade die jüngsten Zahlen zeigen klar, dass der Modekonzern nach einer kleinen Pause wieder voll auf seinen Wachstumskurs eingeschwenkt ist.
Mit einem Anstieg auf vergleichbarer Fläche von 5,2 Prozent entwickelte sich Gerry Weber erneut besser als der gesamte Modemarkt in Deutschland, der in den ersten vier Monaten des Kalenderjahres 2014 im Vergleich zum Vorjahr mit ein bis zwei Prozent nur geringfügige Wachstumstendenzen aufwies. Besonders im eigenen Einzelhandel läuft es zunehmend besser, die Umsätze kletterten in den ersten sechs Monaten um 13,3 Prozent. Inzwischen liegt der Anteil des Retail-Geschäfts am Konzernumsatz bei 45,7 Prozent, 4,5 Prozentpunkte mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Rückgang im Großhandelsbereich von 5,6 Prozent konnte somit kompensiert werden.
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Margenpotenzial wird gehoben
"Oberstes Ziel der Gerry Weber-Gruppe ist das profitable Wachstum und damit die Verbesserung der Ergebnismarge", heißt es im aktuellen Zwischenbericht. Die zuletzt gemeldeten Zahlen zeigen, dass der Konzern wieder in der Spur ist. Mit dem weitgehenden Verzicht auf Rabattaktionen, Kostensenkungen und dem höheren Anteil des eigenen Einzelhandels am gesamten Konzernumsatz geht es vor allem bei den nachgelagerten Kennzahlen wieder deutlich aufwärts. Im Vergleich zum Konzernumsatz legte das operative Ergebnis wesentlich deutlicher zu, was für die Zukunft berechtigte Hoffnungen aufkommen lässt. Während die Erlöse im zweiten Quartal um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen, verbesserte sich das Betriebsergebnis (Ebit) um 22,3 Prozent auf 31,3 Mio. Euro und lag leicht über den Konsensschätzungen. Zugleich kletterte die Ebit-Marge von 11,7 Prozent auf 14,2 Prozent, nachdem sie im ersten Semester wegen des vorgezogenen Winterschlussverkaufs noch konstant bei 9,6 Prozent lag. Rund 60 Prozent der Umsätze erzielt Gerry Weber in Deutschland, 30 Prozent entfällt auf Länder der europäischen Union.
Mit der Expansion vor allem im europäischen Ausland und einer weiteren Internationalisierung der Vertriebsstrukturen sowie der damit verbundenen Ausweitung der weltweiten Marktpräsenz dürften die ausländischen Märkte künftig spürbar an Relevanz gewinnen und den Umsatz anschieben. Zuletzt kaufte der Konzern in Norwegen acht Gerry Weber-Filialen von einem Franchisenehmer und 17 Geschäfte, die mehrere Marken vertreiben. In den kommenden Jahren sollen dort zwischen 10 bis 15 neue Filialen entstehen.
Besonders die Effekte aus der Vertikalisierung sollten nicht unterschätzt werden. Gerry Weber will künftig mehr Einfluss auf die Warenbestückung nehmen und die Kollektionen so schnell wie möglich auf die Verkaufsflächen bringen. Derzeit investiert das MDAX-Unternehmen 90 Mio. Euro in ein neues Logistikcenter. Die Finanzierung erfolgte im November 2013 über die Aufnahme eines Schuldscheindarlehens in Höhe von 75 Mio. Euro. Schätzungen des Bankhaus Lampe zufolge dürfte das Investment in den kommenden Jahren positive Ergebnisbeiträge im unteren zweistelligen Millionen-Bereich abwerfen. Im Großhandelsbereich will der Modekonzern aus Halle in Westfalen die Partner bei der Optimierung ihres Flächenmanagements unterstützen.
Gerry Weber arbeitet bereits seit mehreren Jahren an einer erfolgreichen Transformation vom reinen Großhandels-Modeunternehmen hin zu einer Marke mit stärkerem Fokus auf Fashion- und Lifestyle. Dazu wurden die Kollektionen verkleinert und der Rhythmus auf sechs Kollektionen pro Jahr umgestellt. Gerry Weber ist nun in der Lage, selbst innerhalb einer Saison neue Modetrends noch schneller auf die Verkaufsfläche zu bringen und die Warensteuerung zu optimieren.
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Aktie im Branchendurchschnitt zu günstig
Für das laufende Geschäftsjahr 2013/2014 rechnet das Management weiterhin mit einem Umsatzanstieg von mindestens 5,6 Prozent auf 900 Mio. Euro. Beim operativen Ergebnis sollten mindestens 120 Mio. Euro möglich sein, 13,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Daraus errechnet sich eine Ebit-Marge von 13,3 Prozent. Nach Meinung von Experten könnten die Prognosen zu konservativ angesetzt sein, hier besteht durchaus Überraschungspotenzial auf der Oberseite. Mit Blick auf die kommenden Monate zeichnet sich bereits ein verbessertes Orderverhalten der Großhandelskunden ab. Darauf deutet der geringere Umsatzrückgang im zweiten Quartal von 4,8 Prozent nach Einbußen von 6,7 Prozent im ersten Quartal. Die Ergebnisprognosen könnten daher geknackt werden und der Aktie zusätzlichen Auftrieb geben.
Für das Geschäftsjahr 2016 rechnen die Analysten vom Bankhaus Lampe mit einem Ergebnis je Aktie von 2,21 Euro. Auf Basis des aktuellen Kurses von 34,60 Euro errechnet sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15,6, während die Papiere des Branchendurchschnitts mit einem Faktor von gut 17 gehandelt werden. Erst wenn das von Lampe-Analyst Schliemkamp ausgegebene Kursziel von 38,50 Euro erreicht ist, wäre die Gerry Weber-Aktie ähnlich bewertet wie die Papiere der Konkurrenz.