Als die Aktienmärkte im ersten Quartal eine kräftige Erholung zeigten, war der Höhenflug beim Goldpreis schnell beendet. Doch die Rally bei den Dividendenwerten steht auf wackeligen Beinen. Bisher wurde am Aktienmarkt nur eine Wachstumsdelle zum Jahresauftakt eingepreist, dem ein breiter Aufschwung ab dem Sommer folgt. Diese Hoffnungen könnten schon bald platzen: Die jüngste Eskalation im Handelsstreit zwischen China und den USA bremst zunehmend den Welthandel, die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession wird von der New Yorker Zentralbank inzwischen mit 29 Prozent taxiert. In der Vergangenheit führte jeder Wert über 30 Prozent tatsächlich zu einer Rezession. Auch andere Faktoren wie Sorgen vor einer Eskalation im Konflikt zwischen den USA und dem Iran verstärken die Unsicherheit.
Richtungsentscheidungen in den nächsten Wochen
Fallende Aktienmärkte will US-Präsident Donald Trump aber vermeiden, die Kurse an der Wall Street sind für Ihn ein Gradmesser seiner politischen Leistung. Seit Monaten drängt er daher die amerikanische Notenbank zu Zinssenkungen, um mehr Luft im Schlagabtausch mit China zu haben. Aufgrund der zuletzt schwachen US-Inflationsdaten haben die Währungshüter durchaus Argumente für eine Zinssenkung. Auf der Sitzung am Mittwoch werden die Notenbanker aber wahrscheinlich die Füße noch still halten, auch um die Unabhängigkeit zu wahren. Zudem dürfte die Fed erst den G20-Gipfel Ende Juni abwarten. Für die Sitzung Ende Juli hat sich der Markt aber klar positioniert: Mit einer Wahrscheinlichkeit von gut 80 Prozent wird eine Zinssenkung erwartet. Im Jahresverlauf rechnet der Markt mit weiteren Anpassungen.
Realzins und Saisonalität
Die sehr ungewöhnliche 180-Grad-Wende in der Geldpolitik der US-Zentralbank ist positiv für Gold. Während die Renditen fallen, läuft die Inflation seitwärts, unter dem Strich fällt der Realzins. Sollte dieser sogar negativ werden, wäre dies für Gold sehr positiv. Ebenfalls zuversichtlich stimmt die Saisonalität: Im Juni endete in den vergangenen zehn Jahren meist eine ausgeprägte Konsolidierungsphase, bis Anfang September legte die Feinunze häufig spürbar zu.
Aus technischer Sicht steht die Börsenampel hingegen noch nicht auf Grün. Der jüngste Anstieg verlief ungewöhnlich kräftig, die Feinunze notierte rund 3,5 Prozent über dem Monatsdurchschnitt. Statistische Auswertungen von Index Radar zeigen, dass Gold ab ähnlichen Differenzen in der Vergangenheit häufig zu einer Atempause neigte. Zudem lauern nun hohe charttechnische Hürden. Seit 2014 scheiterten zahlreiche Versuche, den Verkaufsbereich zwischen 1350 bis 1400 zu überwinden.
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Damit ist die Ausgangslage klar: Fallende Inflationsraten und steigende Zinsen sind vorerst nicht zu erwarten, auch der Zollstreit und die geopolitischen Risikofaktoren werden die Märkte noch lange in Atem halten. Anders als noch vor einigen Wochen hat sich somit das makroökonomische Bild für Gold deutlich verbessert. Auch die Aussicht auf sinkende Leitzinsen und eine weiter sehr expansive Geldpolitik von EZB und BoJ sorgen für Umschichtungen in das Edelmetall. Zudem bereitet die kräftig steigende Staatsverschuldung der USA Investoren zunehmend Sorgen, was ebenfalls positiv für Gold ist.
Kurzfristig ist der Preis allerdings überhitzt, für Trader bieten sich taktische Käufe bei 1300 bis 1320 an. Gut unterstützt bleibt die Feinunze bei 1270/1275 (200-GD, Nachkaufzone), etwas tiefer sollte der Stopp platziert werden. Wer hingegen vorsichtig ist, wartet erst einen Wochenschluss über 1400 ab. Darüber liegt die nächste Zielzone bei etwa 1550.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.