Die anhaltende und außergewöhnliche Anti-Value-Phase hat den Markt gespalten: Einerseits in Aktien, die aufgrund von Wachstumshoffnungen und vermeintlicher Stabilität gesucht, und andererseits in Titel, auf die jegliche Unsicherheit und Pessimismus projiziert werden. Die daraus entstandenen Bewertungsdiskrepanzen befinden sich auf einem Allzeithoch, ähnlich dem Stand der vergangenen Dot.com-Krise. Auf diese Krise folgte von 2000 bis 2007 die beste Performance von Value-Aktien. Der Startpunkt der Bewertung ist das wichtigste langfristige Werkzeug, um eine Über- oder Unterrendite zu prognostizieren.

Gleichzeitig hat die Trendwende bei der Gewinnentwicklung von Value- gegenüber Growth-Aktien bereits eingesetzt. Es zeichnet sich eindeutig die stärkste Gegenbewegung innerhalb der vergangenen Dekade und die fundamentale Stärke von Value-Aktien ab. Diese Bewegung zeigt die bessere fundamentale Entwicklung von Value- gegenüber Growth-Aktien in Europa. Der Markt reflektiert diese Entwicklung derzeit noch nicht. Die Konsequenz ist einzig und allein ein weiterer relativer Anstieg der Bewertungsunterschiede zulasten der werthaltigen Aktien. Die genannten Entwicklungen bieten signifikantes Umkehr­potenzial aus technischer Sicht. Gleichzeitig sind wertorientierte Portfolios auch für potenzielle Krisenszenarien - beispielsweise eine Rezession - besser aufgestellt. Denn erhebliche Negativentwicklungen sind schon eingepreist und die Bewertungen liegen teilweise auf dem Niveau von 2008 während der globalen Finanzkrise. Jegliche positive Entwicklung oder Meldungen, wenig schlechter als erwartet hinsichtlich des Handelskonflikts, der Wirtschaft an sich, dem Brexit oder den Inflationserwartungen können eine potenzielle Value-Rally auslösen. Die größte Herausforderung für Anleger besteht darin, jetzt gegen den Strom zu schwimmen und vermeintliche Glamourstocks gegen derzeit unterschätzte Value-Titel zu tauschen.

Das Phänomen "Gier und Angst" ist an den Kapitalmärkten überall zu finden und stellt einen permanenten Feind der Markt­effizienz und einen Freund der rationalen Investoren dar. Auch die Schwellenländer bleiben hiervon nicht verschont - im Gegenteil, dieses Phänomen ist dort besonders stark ausgeprägt. Es wird hauptsächlich getrieben durch eine falsche Risikowahrnehmung aufgrund eines kurzfristigen Anlagehorizonts, Herdentrieb statt antizyklischen Investitionsverhaltens und Krisenangst bei politischen Turbulenzen. So können wertorientierte Anleger gerade in den Schwellenländern noch viele Ertragsperlen entdecken. Denn dort haben sich die wirtschaftlichen Strukturen im zurückliegenden Jahrzehnt signifikant verbessert.

Galten Emerging Markets früher noch als reine Rohstofflieferanten und Werkbänke für die westliche Welt, sind heute unter anderem Unternehmen aus der IT sowie der Gesundheits- und Konsumindustrie international trendprägend und überproportional stark wachsend. Sie tragen damit zu einer stabileren Aufstellung der lokalen Wirtschaft bei. Bevorzugt kleinere Unternehmen profitieren in diesen Regionen von den aktuellen Entwicklungen. Aus Investorensicht ist eine derartige Entwicklung aufgrund der hohen Renditeerwartung äußerst interessant.

In der Vergangenheit führte eine signifikante Kurskorrektur innerhalb der Schwellenländer in den darauffolgenden Jahren zu einer starken Gegenbewegung und überdurchschnittlichen Wertentwicklung. Jedoch profitiert eine Vielzahl der Marktteilnehmer nicht von dieser Entwicklung, da vergleichsweise optimale Einstiegszeitpunkte verpasst werden. Bezogen auf einen langfristigen Investmentzeitraum zeichnet sich eine Value-­Prämie in den Emerging Markets ab, die fast doppelt so hoch wie die der entwickelten Märkte ist. Value ist somit im Vergleich mit anderen Investmentstilen aktuell der mit Abstand attraktivste - gerade in den Schwellenländern.

Zum Autor: Goran Vasiljevic

Der Anlagechef und Sprecher der Geschäftsführung von Lingohr, berät den Lingohr-Asien-Systematic-Invest. Er kam 2011 als Senior Portfolio Manager zum Unternehmen. Der unab­hängige Asset-Manager Lingohr & Partner Asset ­Management ist seit mehr als 25 Jahren Spezialist für ­konsequentes Value-­Investing und verwaltet aktuell ein ­Kundenvermögen von circa 2,5 Milliarden Euro.