Zweifellos bieten nachhaltige Kapitalanlagen, die ökologischen und sozialen Anlagestandards gerecht werden, allen Beteiligten große Chancen: Die Nachfrage der Investoren ist groß, die Chancen der Emittenten auf den gewünschten Imageeffekt sind es ebenso. Doch wie so oft ist der Ruf nach Regulierung auch dieses noch jungen Marktsegments nicht weit. Erst kürzlich hat die EU-Kommission ihre Vorschläge für die Regulierung nachhaltigen Finanzierens vorgelegt. So sehr nichts gegen klare Kriterien im Sinne der Anlegersicherheit und -transparenz einzuwenden ist, so sehr ist zu wünschen, dass der Gesetzgeber nicht über das Ziel hinausschießt.
Denn fest steht auch, dass die Marktmechanismen im Fall von Green Bonds schon gut funktionieren. Aus den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit können bereits jetzt viele Anforderungen des Marktes abgeleitet werden, die für eine erfolgreiche Emission unumgänglich sind. So besteht auf der Investorenseite eine starke Präferenz für solche Emittenten, die eine ausformulierte und glaubhafte Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen. Diese sollte nicht nur auf dem Papier gut aussehen, sondern sich auch deutlich in der konkreten Geschäftstätigkeit widerspiegeln. Kaum etwas lehnen Investoren mehr ab als den Versuch, einige wenige Bereiche der Bilanz als "grün" und "sozial" herauszuputzen, ohne dieses Wertesystem auch in der Unternehmensstrategie und -kultur zu verankern.
Die Platzierung eines Green Bonds kann sich als durchaus schwierig erweisen, wenn etwa die Frauenquote im gesamten oberen Management quasi bei null liegt oder nicht-grüne Geschäftsfelder den wesentlichen Teil der eigenen Aktivitäten darstellen. Investoren haben ein feines Gespür dafür, inwieweit Green Bonds auch intern gelebt werden. Wichtig ist zudem, dass die gesamte Organisation des Emittenten, beginnend beim Vorstand, hinter dem Projekt steht. Dies ist schon deshalb vonnöten, um alle aussagekräftigen Daten erheben zu können, die für die Emission notwendig sind. Investoren fordern bei der Auswahl der zu refinanzierenden Kredite die Einhaltung strenger Nachhaltigkeitskriterien, deren interne Überwachung durch mehrere Instanzen gesichert sein muss. Oft sind die umweltbezogenen Daten eines Projekts jedoch nicht Bestandteil der elektronisch erfassten Vertragsdaten. Deshalb mündet eine grüne Finanzierung nicht selten in ein aufwendiges IT-Projekt, damit die Datenerfassung künftig umfassender und zielgerichteter erfolgt. Diese Prozesse brauchen ihre Zeit: Entgegen der Meinung mancher Marktteilnehmer kann ein Green Bond eben nicht innerhalb von ein paar Wochen aus dem Boden gestampft werden.
Die Strukturierung des Bonds folgt inzwischen fest etablierten Branchenregeln. Eine Emission, die nicht den vom Branchenverband International Capital Markets Association (ICMA) erarbeiteten Green Bond Principles entspricht, ist quasi nicht platzierbar. Diese Prinzipien regeln die Verwendung und Verwaltung der Mittel, die Auswahl und Bewertung der Projekte sowie die freiwillige Berichterstattung. Ein großer treibender Faktor bei der Entwicklung des Segments sind die auf nachhaltige Investitionen spezialisierten Investoren, die derzeit vor allem aus Frankreich, den Niederlanden und den nordischen Ländern kommen. Sie verfolgen mehr als rein monetär getriebene Anlageziele und sind vielfach aktiv an der Ausgestaltung der Green-Bond-Programme beteiligt.
Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass bei grünen Anleihen die Nachfrage weit über der von vergleichbaren, herkömmlichen Bonds liegt. Auch im Sekundärhandel weisen die Anleihen eine unterdurchschnittliche Volatilität aus. Grüne Finanzierungen sind somit längst ein fester und etablierter Teil des Angebotsspektrums geworden, der keiner regulatorischen Sonderbehandlung bedarf.
Christoph Anhamm:
Der studierte Volkswirt ist seit 2014 für die ABN Amro Bank tätig und leitet Debt-Capital-Markets-Transaktionen inklusive Green Bonds in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die niederländische Großbank ABN Amro zählt zu den führenden Bankengruppen in Europa und ist in Deutschland unter anderem im Private Banking (Bethmann Bank), im Corporate Banking und im Retail Banking (Onlineplattform Moneyou) aktiv.