Alles auf Anfang, heißt es jetzt für Griechenland. Denn am 20. August endete das dritte und - zumindest vorerst - letzte Hilfsprogramm des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der insgesamt über 200 Milliarden Euro an das Krisenland ausgezahlt hat. Athen steht damit zum ersten Mal seit 2010 finanziell wieder auf eigenen Beinen. Die Startbedingungen dafür sind nicht so schlecht, verfügt man doch dank ESM aktuell über ein Reservepolster von 24 Milliarden Euro, was laut Schätzung für zwei Jahre reichen dürfte - sollte das Land keine anderen Finanzierungsquellen finden.

Doch auch dies scheint wieder möglich. Schon 2017 nahm Griechenland Geld am Kapitalmarkt auf. Ein gewisses Vertrauen der Investoren ist zurück, die Langfristzinsen sind von über zehn auf "nur" noch vier Prozent gesunken. Allerdings ist das deutlich mehr, als man es jetzt über Jahre in Athen gewohnt war: Für die Hilfskredite zahlte Hellas im Schnitt nämlich nur einen Zins von 1,5 Prozent. Da mag nicht jeder über das ESM-Ende jubeln.

Auch für Griechenlands Banken werden kurzfristige Gelder nun wohl teurer, weil mit dem Auslaufen des ESM-Programms diverse günstige Ausnahmeregelungen für die Banken enden. Entsprechend sind die Aktienkurse der Kreditinstitute unter Druck. Alpha Bank und National Bank of Greece, die beiden größten Banken des Landes, gehörten auch zuletzt zu den großen Verlierern an der Athener Börse. Ohnehin ist unter Aktionären eher Skepsis eingekehrt. Von der Aufbruchstimmung zu Jahresanfang ist momentan nicht viel zu spüren. Der ASE-Index - auch Athex genannt - hat die Gewinne vom Dezember und Januar alle wieder abgegeben. Die damals empfohlene Aktie von Titan Cement fiel dabei genauso unter den Stoppkurs wie die von Mytilineos Holdings. Wenigstens bewegte sich der Kurs unseres Favoriten Motor Oil um ein paar Prozentpunkte nach oben - und man kassierte zudem eine stattliche Dividendenrendite von damals über sechs Prozent ein.



Recht gut halten sich vergleichsweise auch die beiden größten börsennotierten Unternehmen des Landes. Zum einen Coca-Cola HBC, das Getränke in Lizenz der US-Muttergesellschaft produziert und abfüllt - und seit 2012 den Firmensitz in der Schweiz und die Hauptbörsennotiz in London hat. Und zum anderen OTE (Hellenic Telecommunications), das ehemals staatliche Unternehmen, das zu 40 Prozent zur Deutschen Telekom gehört. Beide Unternehmen weisen akzeptable Bewertungen und gute Dividendenrenditen auf und sind aktuell neben Motor Oil zu empfehlen.

Doch Börsenflaute hin oder her: Als "Meilenstein" bezeichnet ESM-Direktor Klaus Regling den Abnabelungsprozess, fordert aber gleichzeitig weiter Reformen und eine nachhaltige Fiskal- und Wirtschaftspolitik. Premier Alexis Tsipras ist da nicht unwillig: Bis 2022 soll jedes Jahr ein Überschuss - vor Zinsen - im Haushalt ausgewiesen werden. In den beiden zurückliegenden Jahren hat das auch schon geklappt, vor allem dank gestiegener Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und wegen guter Erfolge beim Kampf gegen die Steuerhinterziehung.

Dass Griechenland da dranbleibt, ist auch bitter nötig: Der Schuldenberg liegt immer noch bei schwindelerregenden 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dennoch sind ESM und OECD mit der Entwicklung - Stand jetzt - zufrieden. Seit 2017 wächst die Wirtschaft wieder, vor allem weil es im Tourismus aufwärtsgeht. Zwei Prozent soll die Wachstumsrate laut OECD in diesem Jahr betragen und sogar 2,3 Prozent im kommenden Jahr.

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Im Sog der Türkei-Krise?



Und dennoch ist noch viel zu tun. Große Teile der Bevölkerung haben stark zu kämpfen. Immer noch ist jeder Fünfte arbeitslos, und das Pro-Kopf-Einkommen fällt im Vergleich zu den Zeiten vor der Krise um 25 Prozent niedriger aus. Zudem haben viele gut ausgebildete junge Griechen das Land verlassen. Ein weiteres Problem - gerade aus Anlegersicht: Griechenland gilt nach wie vor als Schwellenmarkt.

Analysten fürchten deshalb, dass die Akropolis-Börse in den Sog der Türkei-Krise gerät. Auch die griechischen Exporteure sind besorgt: Die Türkei ist nämlich nach Italien, Deutschland und Zypern wichtigster Absatzmarkt des Landes. Wesentliche Exportgüter sind Treibstoffe, Baumwolle, Kunststoffe, elektrische Ausrüstung sowie Aluminium- und Kupferrohre. Auch Unternehmen mit Niederlassungen in der Türkei oder Beteiligungen sind betroffen, so auch der schon erwähnte Zementkonzern Titan.

Griechenland-Anleger sollten sich dieser Risiken bewusst sein und daher lieber nicht allzu viel riskieren.



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