Rund zehn Prozent der Wahlberechtigten haderten noch mit der Entscheidung, die Griechenland aus dem Euro kippen oder die Regierung zum Rücktritt treiben könnte. Das Oberste Verwaltungsgericht wies am Abend eine Klage gegen das am Sonntag geplante Referendum ab.

Die Abstimmung ist ein Kuriosum, weil die Griechen über die letzten Gläubiger-Vorschläge zur Beendigung des zweiten Hilfsprogramms und damit die Auszahlung weiterer Hilfsmilliarden daraus abstimmen. Das Programm lief jedoch Ende Juni aus - formell liegen die Vorschläge gar nicht mehr auf dem Tisch. Politisch geht es darum, ob Ministerpräsident Alexis Tsipras für seinen Verhandlungskurs noch Rückhalt hat. Die Regierung wirbt für ein "Nein", Tsipras hatte bei einem "Ja" seinen Rücktritt angedeutet.

Finanzminister Yanis Varoufakis war deutlicher: Er würde sich eher "den rechten Arm abhacken lassen", als einem Programm zuzustimmen, das keine Umschuldung enthalte. Die Geldgeber lehnen Schuldenerleichterungen als Alternative zu Strukturreformen ab. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem stellte bei einem "Nein" zudem die Euro-Mitgliedschaft des Landes infrage.

"DAS REFERENDUM FINDET STATT"



Wegen der Krise sind die griechischen Banken größtenteils geschlossen, Hamsterkäufe und Kriminalität nehmen zu. Einer Umfrage der Zeitung "Ethnos" zufolge wollen fast drei Viertel der Griechen den Euro behalten, nur 15 Prozent sind für einen "Grexit" aus der Währungsgemeinschaft. In Athen waren erneut Kundgebungen von Gegnern und Befürwortern geplant. Eine Klage gegen das Referendum wurde am Freitagabend vom Obersten Verwaltungsgericht abgelehnt. "Das Referendum findet statt", sagte Richter Nikolaos Sakellariou. Die Kritiker hatten den knappen Zeitraum zur Vorbereitung und eine unklare und zu komplexe Fragestellung moniert.

JUNCKER: "NEIN" WÜRDE POSITION ATHENS SCHWÄCHEN



Die anderen Euro-Staaten wollen den Gesprächsfaden erst nach dem Referendum wieder aufnehmen. "Wenn die Griechen mit 'Nein' stimmen, wird sich die griechische Position dramatisch verschlechtern", warnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Selbst im Falle eines 'Ja'-Votums wird es schwierige Verhandlungen geben." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte "Bild", über ein neues Programm würde auf völlig neuer Grundlage und unter erschwerten wirtschaftlichen Voraussetzungen gesprochen.

Tsipras und Varoufakis hatten sich dagegen überzeugt gezeigt, dass eine Vereinbarung mit den Gläubigern nach dem Referendum binnen Tagen zustande kommen werde. Dijsselbloem nannte diese Darstellung "komplett falsch". Unabhängig vom Ausgang der Volksbefragung am Sonntag stehe Griechenland eine "extrem schwierige" Zukunft bevor.

UMSCHULDUNG BLEIBT UMSTRITTEN



Die griechische Regierung wertete es als Bestätigung ihres Kurses, dass der IWF davon ausgeht, dass das Land bei einer weiteren Verschlechterung der Wirtschaftlage eine Verlängerung der Kredite und einen Schuldenschnitt benötige. Wegen der Abweichungen vom Reformkurs werde das Land bis 2018 etwa 50 Milliarden Euro zusätzlichen Finanzbedarf haben, so der Internationale Währungsfonds.

Griechenland steht mit 320 Milliarden Euro oder fast 180 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftskraft in der Kreide. Allerdings werden die Kredite der Euro-Partner erst ab 2020 zur Tilgung fällig. Den anderen Euro-Ländern zufolge wäre ein Schuldenerlass keineswegs zwingend, wenn Strukturreformen angepackt würden, um den Etat zu sanieren und das Wachstum langfristig anzukurbeln.

Seit dem Auslaufen des Hilfsprogramms am Dienstag steht das seit 2010 vom freien Kapitalmarkt abgeschnittene Land ohne externe Geldquellen da. Nur mit Hilfe der EZB werden die Banken noch am Leben gehalten. Die EZB will nach dem Referendum beraten, ob sie weitere Nothilfen an die Geldhäuser billigt.

Am Dienstag hatte die Regierung in Athen außerdem eine Rückzahlung von 1,6 Milliarden Euro an den IWF versäumt. Der provisorische Euro-Rettungsschirm EFSF, über den das zweite Hellas-Hilfsprogramm abgewickelt worden war, erklärte deshalb Griechenland für zahlungsunfähig. Er behalte sich vor, alle seine Kredite fällig zu stellen. Aus dem EFSF waren 130,9 Milliarden Euro nach Griechenland gepumpt worden.