Der Erste Senat des Gerichtes erklärte, da die Einheitswerte im Westen von 1964 stammten, sei die Berechnung der Grundsteuer nicht mehr realitätsgerecht. Im Osten haben sich die Werte seit 1935 nicht geändert. Die Werte in Großstädten und in Randlagen hätten sich mittlerweile völlig auseinanderentwickelt, argumentierten die Richter. "Der Rückgriff auf Einheitswerte von 1964 vermag den Verkehrswert der Grundstücke heute nicht mehr abzubilden, sondern verfehlt ihn generell und vollständig", sagte der Vizepräsident des Gerichts, Ferdinand Kirchhof. Die Schere zwischen den Bewertungen der einzelnen Grundstücke gehe wegen solcher Verzerrungen immer weiter auf.

Da die Grundsteuer die drittwichtigste Einnahmequelle der Kommunen ist und die Finanzverwaltung millionenfache Neubewertungen vornehmen muss, gewährten die Richter gestaffelte und lange Übergangsfristen. Dadurch sollen Haushaltsprobleme der Städte und Gemeinden vermieden werden, die mit der Steuer rund 14 Milliarden Euro jährlich einnehmen. Die gesetzliche Grundlage für die Neubewertung muss bis Ende 2019 verabschiedet sein, danach hat die Verwaltung weitere fünf Jahre für die Umsetzung Zeit. Ende 2024 muss die Grundsteuer für alle Grundeigentümer neu berechnet worden sein.

Die Länder hatten bereits 2016 Reformvorschläge für die Grundsteuer ausgearbeitet. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) kritisierte nun, dass der Bundestag die Initiative des Bundesrates damals nicht einmal beraten habe. "Das rächt sich spätestens jetzt."

INDUSTRIE: AUF VÖLLIGE NEUBEWERTUNG VERZICHTEN



Die deutsche Industrie verlangte eine Reform, die auf eine vollständige Neubewertung verzichtet. "Es ist sinnvoll, Grundstücks- und Gebäudegrößen als Berechnungsgrundlage heranzuziehen", schlug BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang vor und stellte sich damit hinter den Plan der meisten Bundesländer. Das sei zügig machbar und beständiger.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte ein solches Vorgehen ein pragmatisches Reformkonzept. Allerdings müssten dann Gebäudedaten aufwendig erhoben werden. Als Alternative bietet sich dem DIW zufolge eine Bodenwertsteuer an, die sich auf Grundlage der Bodenrichtwerte relativ leicht umsetzen ließe und vor allem von Stadtplanern sowie Mieter- und Umweltverbänden unterstützt werde. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Florian Toncar, wertete die Karlsruher Entscheidung als Quittung für eine "jahrelange Untätigkeit der großen Koalition". Das Urteil dürfte aber nicht für Steuererhöhungen missbraucht werden.

Da die Grundsteuer auf die Nebenkosten der Mieter abgewälzt wird, sind von einer Neuregelung auch sie betroffen und nicht nur Eigentümer von Grundstücken, Häusern oder Wohnungen. Erhöhungen würden deshalb höhere Mietnebenkosten zur Folge haben, warnte bereits in der Verhandlung der heutige Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, die Grundsteuer auf eine feste Basis zu stellen und eine "Grundsteuer C" einzuführen, die es schon in den 60er Jahren kurzzeitig als Baulandsteuer gab. Mit dieser Abgabe soll es teurer werden, Bauland für spekulative Zwecke jahrelang ungenutzt liegen zu lassen. So soll mehr Land für den Wohnungsbau genutzt werden können.

Die Grundsteuer kommt allein den Städten und Gemeinden zugute, die auch die sogenannten Hebesätze festlegen. Mit diesen Hebesätzen werden die Einheitswerte multipliziert. Neben den Einheitswerten und dem Hebesatz geht als dritter Faktor der sogenannte Messbetrag in die Berechnung ein. Er wird von den Finanzämtern festgelegt.

rtr