Die Bundesbehörde nimmt befristet bis zum 30. September alle Stimmrechte aus Geschäftsanteilen an der Gazprom Germania wahr. Das entspricht noch keiner Enteignung. Aber die Behörde ist damit gegenüber der Geschäftsführung weisungsbefugt. Über die Töchter Wingas und Astora betreibt Gazprom Germania Gashandel und den größten deutschen Erdgasspeicher in Rehden.
Habeck greift auf einen Paragrafen im Außenwirtschaftsgesetz zurück, um den russischen Einfluss auf die Gasversorgung in Teilen zu verringern. Die Einsetzung einer Treuhandschaft ist demnach möglich zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. "Die Bundesregierung tut das Notwendige, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten", sagte Habeck mit Blick auf das russische Präsidialamt in Moskau. "Dazu zählt auch, dass wir Energieinfrastrukturen in Deutschland nicht willkürlichen Entscheidungen des Kremls aussetzen."
HABECK: VERSORGUNGSSICHERHEIT IST GEWÄHRLEISTET
"Der Schritt ist zwingend notwendig, die Versorgungssicherheit ist aktuell gewährleistet", sagte Habeck. Er begründete den Eingriff des Staates mit unklaren Besitzverhältnissen bei der Gazprom Germania und damit, dass sein Ministerium nicht die erforderliche Zustimmung zum Erwerb erteilt habe. Dem Ministerium sei der mittelbare Erwerb durch eine unbekannte Gesellschaft JSC Palmary und Gazprom export business services LLC zu Kenntnis gelangt. Unklar sei, wer wirtschaftlich und rechtlich hinter diesen Unternehmen stehe. Der Erwerber habe zudem die Liquidierung von Gazprom Germania angeordnet, was nicht rechtmäßig sei, da der Erwerb nicht genehmigt worden sei.
Der russische Mutterkonzern hatte am Freitag angekündigt, die Gazprom Germania aufzugeben, ohne Details zu nennen. Laut Geschäftsbericht von 2020 hatte Gazprom Germania inklusive seiner Töchter 1543 Mitarbeiter, darunter 339 in Berlin. Die 1990 gegründete Gesellschaft verfügt über ihre Tochter Astora über Gasspeicher in Deutschland und Österreich mit einer Kapazität von insgesamt sechs Milliarden Kubikmeter. Durch die Treuhänderschaft erhält die Bundesnetzagentur nun rechtlich auch die Möglichkeit, eine stärkere Befüllung der Gasspeicher anzuweisen, soweit Gas dafür verfügbar ist. Knappe Füllstände der Gasreserven hatten wegen des Ukraine-Krieges Befürchtungen ausgelöst, die Versorgung könne knapp werden.
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, betonte, seine Behörde sei sich der Verantwortung für die sichere Gasversorgung bewusst. "Unser Ziel wird es sein, dass Gazprom Germania im Interesse Deutschlands und Europas geführt wird." Es würden alle notwendigen Schritte unternommen, um die Versorgungssicherheit weiter zu gewährleisten. "Die Geschäfte der Gazprom Germania und ihrer Tochterunternehmen sollen in diesem Sinne kontrolliert weitergeführt werden."
Eine Reaktion aus Russland stand am Montagabend noch aus. Offenkundig geht die Bundesregierung davon aus, dass die Gaslieferungen von Russland nicht unterbrochen werden. Andernfalls wäre die Treuhandschaft der Netzagentur zum Weiterbetrieb der Gazprom Germania nicht nötig. Habeck wie auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatten am Montag nochmals unterstrichen, dass die Bundesregierung trotz des Ukraine-Krieges einen Einfuhrstopp für russisches Gas derzeit ablehnt.
rtr