Viele Börsenbeobachter schreiben den US-Präsidentschaftswahlen bisher eine kursbremsende Wirkung zu. Auf Cannabis-Aktien wirkt der Urnengang am 8. November aber eindeutig positiv. Denn an diesem Tag wird gleichzeitig in neun US-Bundesstaaten über eine weitere Legalisierung des Marihuana-Konsums abgestimmt. Die Chancen auf positive Voten stehen nicht schlecht. Der 420 Investor Cannabis Stock Index legte daher im September um gut 36 Prozent zu.

Kein Wunder, steigen doch mit jedem US-Bundesstaat, der als Absatzgebiet hinzukommt, die Chancen auf florierende Geschäfte. Die Autoren des Marijuana Business Factbook 2016 sagen den Cannabis-Einzelhandelsumsätzen in den USA von 2013 bis 2020 einen Umsatzanstieg von 1,6 Milliarden Dollar auf 6,1 bis 11,0 Milliarden Dollar voraus. Die Analysten der US-Investmentbank Cowen sehen den Gesamtmarkt von 2016 bis 2026 von sechs Milliarden auf 50 Milliarden Dollar explodieren. Trotz dieser eindrucksvollen Zahlen sollten Anleger einen klaren Kopf bewahren. Denn längerfristig waren Marihuana-Aktien bisher keine nachhaltige Erfolgstory. Der 420 Investor Cannabis Stock Index verzehnfachte sich im ersten Quartal 2014 zwar, doch darauf folgte ein gnadenloser Absturz. Der aktuelle Stand von 45 Punkten liegt noch immer unter dem Startniveau von 100 Punkten Anfang 2013. Hinzu kommt der unsichere rechtliche Status. Auf nationaler Ebene ist Marihuana in den USA illegal. Das bringt eine rechtliche Grauzone mit sich. Dadurch ermutigt und angelockt von der Aussicht auf schnellen Reichtum mischen in dem Segment zwielichtige Gestalten mit. Die US-Börsenaufsicht SEC warnte mehrfach vor Betrügereien mit Cannabis-Aktien. Dieser unrühmliche Zustand erstreckt sich bis nach Deutschland: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin hat jüngst gegen die Beteiligungsgesellschaft Deutsche Cannabis ein Zwangsgeld von 140 000 Euro wegen versäumter Bilanzvorlagefristen verhängt.

Zwar ist erhöhte Wachsamkeit angebracht, doch es wäre falsch, das ganze Segment zu verdammen. Zu den schwarzen Schafen gesellen sich immer mehr seriöse Gesellschaften. So vermarktet etwa der Softwarekonzern Microsoft eine Marihuana-Betriebssoftware. Außerdem dürften mit zunehmender Professionalität die vielen Missstände abnehmen. Für Banken ist es kürzlich etwas einfacher geworden, der Branche Dienstleistungen anzubieten. Auch Investmentbanken interessieren sich zunehmend für das Segment: Cowen and Company, Bank of America Merrill Lynch und Ackrell Capital haben bereits entsprechende Studien veröffentlicht.



Kiffen statt Kaffee trinken



Eine weitere Expansion dürfte auch deshalb kaum aufzuhalten sein, weil die Öffentlichkeit einer Legalisierung zusehends positiver gegenübersteht. Besonders weit sind die USA. In Colorado, wo ebenso wie in Washington, Oregon und Alaska sogar der Privatkonsum erlaubt ist, gibt es mehr Cannabis-Shops als Läden der Kaffeehauskette Starbucks. Der Konsum von Cannabis zu medizinischen Zwecken ist in 25 US-Bundesstaaten gestattet.

Kanada steht kurz davor, Verbote zu lockern. Selbst Deutschland will zumindest ausgewählten Patienten unter Kostenerstattung legal einfacheren Zugang zu Cannabis-Arzneien gewähren. Investments in Aktien klassischer Hanfzucht-Firmen sind allerdings spekulativ, denn es droht eine Angebotsschwemme. Investoren sollten außerdem Aktien meiden, die außerbörslich gehandelt werden, was häufig der Fall ist - insbesondere wenn es sich um sogenannte Pennystocks handelt. Aussichtsreicher sind Hersteller von Cannabis-Medikamenten. Der britische Pharmawert GW Pharmaceuticals ist vor allem durch Sativex bekannt, ein Multiple-Sklerose-Mittel auf Cannabis-Basis. Forschungserfolge beim Medikament Epidiolex zur Behandlung von Epilepsie hievten den Kurs zuletzt auf neue Rekorde. Die Meinungen über die Absatzpotenziale gehen zwar weit auseinander. Hier gibt es aber eine Investmentstory und das Chartbild stimmt.

Eine konservativere Anlagevariante sind Aktien von Firmen, die sich zwar in der Branche betätigen, aber überwiegend in anderen Geschäftsfeldern aktiv sind, etwa der Biopharmakonzern Abbvie. Das auf schwere Krankheiten spezialisierte Unternehmen verfügt mit Marinol über ein Cannabis-Medikament, das bei Chemotherapie gegen Übelkeit hilft sowie bei AIDS-Patienten das Hungergefühl weckt.

Die zweite Alternative ist The Scotts Miracle-Gro Company, ein Anbieter von Produkten für die Garten- und Pflanzenpflege. Der Vorstand wittert beim Cannabis-Anbau mithilfe der Hydroponik-Methode, bei der Pflanzen ohne Erde in Wasser mit gelösten Nährstoffen gezogen werden, viel Potenzial. Er hat bereits einiges Kapital in den Aufbau dieses Geschäftsbereiches investiert. Die dritte Option sind traditionelle Zigarettenproduzenten. Sobald der Marihuana-Markt völlig legalisiert ist, dürften sie auf den Zug aufspringen. Gute Chancen könnten sich für Reynolds American ergeben. Der Tabakkonzern hat über die E-Zigaretten Erfahrung mit der Vaporizer-Technik, die sich sehr gut für den Marihuana-Konsum eignet.