Dividende und Boni werden gekürzt, der Aktienrückkauf ausgesetzt. Zudem hat die Bank eine weitere Untersuchung eingeleitet, die über die unmittelbaren Folgen hinaus die weitergehende Auswirkungen er Affäre unter die Lupe nehmen soll. Während zwei Top-Manager ihren Hut nehmen müssen, bleibt Konzernchef Thomas Gottstein am Ruder. Ob die bisherigen Maßnahmen dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Antonio Horta-Osorio genügen, der voraussichtlich Ende April seinen Job antritt, wird sich in den kommenden Monaten weisen.

"Der erhebliche Verlust in unserem Prime-Services-Geschäft in Zusammenhang mit dem kollabierten US-Hedgefonds ist inakzeptabel", sagte Gottstein. "Wir werden aus diesen Angelegenheiten unsere Lehren ziehen." Das übrige Investmentbanking sowie das Vermögensverwaltungs-Geschäft hätten sich im ersten Quartal aber gut entwickelt. Für das erste Quartal stellte die Bank einen Vorsteuerverlust von rund 900 Millionen Franken in Aussicht.

Das Archegos-Desaster ist nicht der erste teure Fehlschlag für die Bank: 2020 schrumpfte der Gewinn der Credit Suisse um 22 Prozent auf 2,7 Milliarden Franken. Unter anderem schlug ein Wertverlust bei einer Beteiligung am Hedgefonds-Anbieter York Capital zu Buche. Dazu kamen teure Altlasten aus der Finanzkrise. Vor gut einem Jahr hatte eine Überwachungsaffäre den vorherigen Konzernchef Tidjane Thiam und einen anderen Spitzenmanager den Job gekostet.

SERIE VON PLEITEN, PECH UND PANNEN


Nach Jahren des Umbaus und der Altlasten-Bereinigung rief Thiams Nachfolger Gottstein 2021 als das Jahr aus, in dem eine Wachstumsphase eingeläutet werden sollte. Anfang März kam dann die erste kalte Dusche: Das Institut musste die Abwicklung von vier zusammen mit Greensill Capital betriebenen Lieferketten-Finanzierungs-Fonds mit einem Gesamtvolumen von rund zehn Milliarden Dollar einleiten. Noch ist unklar, wie viel Geld die Abwicklung der Fonds abwirft. Insidern zufolge prüft die Schweizer Großbank, Investoren bei möglichen Verlusten aus der eigenen Tasche zu entschädigen. Ein Insider erklärte, im ersten Quartal würden kaum Belastungen für Greensill verbucht.

Das zweite Debakel folgte wenige Wochen später. Auslöser der Probleme bei Archegos Capital war der Kurseinbruch beim Medienkonzern ViacomCBS, an dem der Fonds erheblich beteiligt war. Weil Archegos die Forderungen der Banken nach mehr Sicherheiten nicht erfüllte, stießen diese im großen Stil Wertpapiere ab, um ihr Geld auf diese Weise reinzuholen, wie mit dem Vorgang vertraute Personen berichteten. Die US-Häuser Goldman Sachs und Morgan Stanley sowie die Deutsche Bank verkauften Titel im Volumen von vielen Milliarden Dollar. Als sich Credit Suisse und die japanische Nomura entschieden, ebenfalls zu verkaufen, waren die Aktien bereits zu weit gefallen, um größere Verluste abzuwenden. Immerhin fürchtet die Bank nun offenbar kein weiteres großes Ungemach durch Archegos. Bei Credit Suisse blieben letzte Risiken zwar bestehen, die Positionen seien aber substanziell verringert worden, sagte eine mit der Situation vertraute Person. Archegos ist nur das letzte Beispiel einer langen Reihe von Hedgefonds, die in den vergangenen Jahren in Schwierigkeiten gerieten.

"DAS LEIDEN IST NOCH NICHT VORBEI"


Obwohl Credit Suisse noch immer solide kapitalisiert ist, setzt die Bank den laufenden Aktienrückkauf aus und kürzt die Dividende kräftig. Die Geschäftleitung verliert ihre Boni, Verwaltungsratspräsident Urs Rohner verzichtet auf 1,5 Millionen Franken seines Gehalts. Risiko-Chefin Lara Warner trat mit sofortiger Wirkung zurück, Investmentbanking-Chef Brian Chin gibt seine Aufgabe zum 30. April ab. Beide verlassen die Bank. Neuer Chef der Investmentbank wird Christian Meissner. Der frühere Leiter des Investmentbankings bei der Bank of America arbeitet seit Oktober für die Credit Suisse. Interimistisch übernehme Joachim Oechslin die Aufgabe des Risiko-Chefs, die er bereits von 2014 bis 2019 innehatte, teilte die Bank mit.

Auch wenn Konzernchef Thomas Gottstein seinen Job behält, sind Archegos und Greensill eine schwere Hypothek für den früheren Investmentbanker. Weil beide Fälle eng mit superreichen Unternehmern verknüpft sind, auf die das Institut vor allem setzt, muss sich Gottstein zudem Fragen zum Geschäftsmodell stellen lassen. Alle Augen sind nun auf Horta-Osorio gerichtet. Experten erwarten, dass der Chef der britischen Lloyds Banking Group als Nachfolger des glücklosen Urs Rohner vieles auf den Prüfstand stellen wird.

Die in den vergangenen Tagen gebeutelten Credit-Suisse-Aktien legten am Dienstag leicht zu. Während die kurzfristigen Auswirkungen weniger schwerwiegend zu sein schienen als befürchtet, würden die vollen Folgen des Reputationsverlustes erst im Laufe der Zeit sichtbar werden, erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. "Das Leiden ist für die Credit Suisse noch nicht vorbei. Es scheint, als stünden der Bank noch viele dunkle Tage bevor", erklärte Naeem Aslam von Avatrade.

rtr