Ein "Nein" könnte das schuldengeplagte Land, in dem die Banken seit Tagen geschlossen sind und der Kapitalverkehr eingeschränkt ist, Experten zufolge endgültig ins Chaos stürzen. Am Ende ist auch ein Ausscheiden aus der Euro-Zone möglich. Das Ergebnis des Referendums ist völlig offen. Umfragen zufolge halten sich Gegner und Befürworter in etwa die Waage.

Ministerpräsident Alexis Tsipras warb am Sonntag bei der Abgabe seiner Stimme erneut für ein "Nein". Von einem solchen Ergebnis werde die Botschaft ausgehen, dass die Griechen nicht nur in Europa bleiben, sondern in Würde dort leben wollten. Er erhofft sich Rückendeckung für die Verhandlungen mit den Geldgebern. Tsipras war erst im Januar mit dem Versprechen ins Amt gekommen, den Sparkurs zu beenden. Er will durchsetzen, dass Griechenland erneut Schulden erlassen werden und frisches Geld für weniger strenge Auflagen erhält.

Weil die Wirtschaft seit Jahren schrumpft und die Arbeitslosigkeit so hoch ist wie in keinem anderen Land der Euro-Zone, wünschen sich viele Griechen einen Kurswechsel. Finanzminister Yanis Varoufakis griff die Geldgeber noch kurz vor der Abstimmung scharf an und warf ihnen am Samstag "Terrorismus" und "Erpressung" vor.

Aus Deutschland und der EU kamen dagegen Stimmen, den Reformkurs weiterzugehen. Dieser soll die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen und für einen solideren Haushalt sorgen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte, sollte eine Mehrheit der Griechen dagegen stimmen, sei die Grundlage für weitere Gespräche über dringend benötigte Hilfspakete entzogen. Dann sei auch die Mitgliedschaft in der Euro-Zone in Gefahr. Der Staat könnte gezwungen sein, eine andere Währung einzuführen, um Löhne und Gehälter zu bezahlen, so der SPD-Politiker in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des "Deutschlandfunks".

DRACHME WÜRDE MASSIV ZUM EURO ABWERTEN

Eine "neue Drachme" würde Währungsexperten zufolge gegenüber dem Euro vermutlich um bis zu 80 Prozent abwerten. Damit wären alle in Euro gehaltenen Schulden noch viel schwieriger zu bedienen und auch die Importe würden sich schlagartig verteuern. Einige Ökonomen erwarten langfristig aber Vorteile, weil Griechenland dann Produkte im Ausland günstiger anbieten kann und auch für Touristen attraktiver wird. Die Meinungen gehen jedoch weit auseinander. So warnt Barry Eichengreen von der renommierten Universität Berkeley davor, dass im Falle eines "Grexit" die Wirtschaft noch stärker schrumpft und Inflation ein Problem wird. "Das Chaos würde noch für sehr lange Zeit, vermutlich über Jahre, bestehen", sagte er der "Welt am Sonntag".

Formell hat das Referendum keine Bedeutung mehr, weil das zweite Hilfsprogramm am Dienstag auslief, ohne dass sich das Land und die Geldgeber auf Bedingungen für die Auszahlung weiterer Milliarden einigen konnten. Athen blieb daraufhin dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Milliarden-Zahlung schuldig. Eine entscheidende Bedeutung kommt nun der Europäischen Zentralbank (EZB) zu, die griechische Geldhäuser seit Monaten mit Notfallhilfen über Wasser hält. Diese sind intern aber heftig umstritten. Sobald die EZB den Stecker zieht, dürfte das Hellas-Bankensystem kollabieren. Die nächste Entscheidung der Währungshüter wird am Montag erwartet.

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron sagte, es müsse ein Kompromiss gefunden werden. Man dürfe sich nicht nur hinter den Notfallmaßnahmen der EZB verstecken. Ähnlich äußerte sich Italiens Regierungschef Matteo Renzi: Gleich nach dem Votum müssten wieder Verhandlungen aufgenommen werden, sagte er der Zeitung "Il Messaggero". Ohne die Unterstützung der Regierung in Athen sei eine Rettung des Landes allerdings unmöglich. Diese müsse das Rentensystem reformieren, gegen Steuerflucht vorgehen und den Arbeitsmarkt umbauen.

Über zwei Rettungspakete sind fast 240 Milliarden Euro nach Griechenland geflossen. Deutschland bürgt direkt für 53 Milliarden Euro und sichert indirekt weitere Risiken von IWF und EZB ab. Weitere Hilfen sind nach Einschätzung von Experten nötig, der IWF spricht beispielsweise von zusätzlichen 50 Milliarden Euro bis 2018. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erwartet langwierige Verhandlungen darüber. Er hält auch einen vorübergehenden Ausstieg Griechenlands aus dem Euro für denkbar.