Der Säugling schien dem Tode nahe. Er war einen Monat zu früh auf die Welt gekommen, erbrach die Muttermilch und verweigerte wochenlang jede andere Nahrung. Schließlich war er so schwach, dass er jeden Moment hätte sterben können.
In dieser scheinbar ausweglosen Situation erinnerte sich ein Bekannter der Eltern, dass der Erfinder Henri Nestlé gerade ein Kindernahrungsmittel aus kondensierter Milch, Kaliumbicarbonat und zwiebackähnlichem Brot aus Weizenmehl entwickelt hatte. Nestlé nahm den Säugling bei sich auf und fütterte ihn mit seinem "Kindermehl", das er mit Wasser verdünnte. Der kleine Jules behielt die Nahrung tatsächlich bei sich, schlief jetzt regelmäßig und wurde immer kräftiger. Nach nur wenigen Tagen war das Baby zum Erstaunen der Ärzte wieder gesund. Geschehen war dieses kleine Wunder im Oktober 1867 in der Stadt Vevey am Genfer See.

Die Rettung des kleinen Jungen und zwiebackähnlichem Brot aus Weizenmehl entwickelt hatte. Nestlé nahm den Säugling bei sich auf und fütterte ihn mit seinem "Kindermehl", das er mit Wasser verdünnte. Der kleine Jules behielt die Nahrung tatsächlich bei sich, schlief jetzt regelmäßig und wurde immer kräftiger. Nach nur wenigen Tagen war das Baby zum Erstaunen der Ärzte wieder gesund. Geschehen war dieses kleine Wunder im Oktober 1867 in der Stadt Vevey am Genfer See. Die Rettung des kleinen Jungen das Leben. In den europäischen Großstädten starb im 19. Jahrhundert fast jeder vierte Säugling in der Wiege.

Henri Nestlé war 1814 in Frankfurt am Main als elftes von 14 Kindern eines wohlhabenden Glasermeisters auf die Welt gekommen. Dort begann Henri kurz nach seinem 15. Geburtstag eine vierjährige Lehre in einer Apotheke. Anschließend ging er, wie damals üblich, auf Wanderschaft und ließ sich 1839 in der französischsprachigen Schweiz am Genfer See nieder. In Vevey fand der 25-Jährige eine Anstellung als Gehilfe beim Apotheker Marc Nicollier. Er lernte Französisch, nannte sich von jetzt an nicht mehr Heinrich Nestle, sondern Henri Nestlé, und verbarg so seine deutschen Wurzeln. Dank der Fürsprache seines Chefs konnte er 1843 für 19 000 Franken eine Gewerbeliegenschaft erwerben - ein Wohnhaus samt wasserbetriebener Ölmühle, Knochenstampfe, Sägerei und Schnapsbrennerei. Das Startkapital von 7000 Franken stammte von einer vermögenden Tante aus Frankfurt, den Rest finanzierte Nestlé über eine Hypothek. Er wurde jetzt zum Tüftler. Unermüdlich suchte er nach neuen Produkten und Ideen.

Der Jungunternehmer verfügte über eine beeindruckende Produktpalette. Aber er arbeitete meist allein, das verhinderte eine effiziente Produktion. Er konnte von seiner Arbeit zwar leben, aber er verdiente weniger, als wenn er als Apotheker gearbeitet hätte. Mit 46 Jahren heiratete er die 19 Jahre jüngere Clementine Ehemant, Tochter eines katholischen Frankfurter Armenarztes. Dieser hatte viele Jahre lang vergeblich für eine bessere medizinische Versorgung der Besitzlosen gekämpft. "In Europa war die Kindersterblichkeit im 19.Jahrhundert deutlich gestiegen, und zwar als direkte Folge der Verstädterung und Industrialisierung", schreibt der Schriftsteller Alex Capus in seinem Buch "Patriarchen".

Nestlé erkannte, dass eine hochwertige und leicht zuzubereitende Säuglingsnahrung eine Marktlücke war. Er begann nun, nach einer Formel zu suchen.

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Lebensrettendes Kindermehl



Im Sommer 1867 war es so weit. Nestlé mischte beste Alpenmilch mit Zucker in einem luftdicht abgeschlossenen Kupferkessel, erhitzte das Ganze, zog Dampf und Luft aus dem Kessel, bis die gezuckerte Milch die Konsistenz von Honig aufwies. Gleichzeitig buk er aus Wasser und Weizenmehl ein Brot, das Zwieback ähnelte, verarbeitete es zu Pulver und mischte es mit der eingedickten Milch. So entstand eine Paste, die getrocknet und gemahlen und mit Kaliumbicarbonat ergänzt wurde. Der große Vorteil war die praktische Zubereitung: Das Mehl kochten die Eltern einfach mit Wasser auf, ohne frische Milch kaufen zu müssen, die schnell verdarb und damals in den Großstädten oft gestreckt wurde.

"Meine Erfindung ist keine neue Entdeckung, sondern eine richtige und rationelle Anwendung von Substanzen, welche schon längst als die besten für die Ernährung von Kindern bekannt sind", schrieb Nestlé damals. "Milch, Brot, Zucker bester Qualität sind die Hauptbestandteile." Nestlé stellte jetzt die Produktion seiner anderen Erzeugnisse ein, verschickte Muster seines Kindermehls an Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser in ganz Europa und beschrieb in Zeitungen und Fachzeitschriften die Wirkung seines "Wundermittels". "Wie Lawinen" seien die Bestellungen nun auf ihn eingestürzt, sagte Nestlé später. 1868 stellte er 8600 Büchsen her, 1874 bereits 670 000 und ein Jahr später über eine Million. Der Preis pro Büchse im Direktverkauf ab Fabrik lag bei 1,05 bis 1,10 Franken. Er baute die Fabrik aus, stellte 30 Mitarbeiter ein und schaffte Maschinen für eine Großproduktion an. Er verkaufte sein Kindermehl jetzt in 18 Ländern, unterhielt eigene Verkaufsvertretungen in den USA, Kanada, Brasilien, Russland, Australien, Niederländisch- Indien und im Osmanischen Reich.

Aus dem Wappen seiner ursprünglich aus dem Schwäbischen stammenden Familie ("Näschtle" = kleines Nest) schuf er das heute weltbekannte Logo des Schweizer Konzerns: ein Vogelnest mit einem Muttertier, das seine Jungen füttert. Binnen kurzer Zeit hatte Henri es zu großem Wohlstand gebracht. Als er 60 wurde, beschloss er, dass es genug sei. "Ich brauche Ruhe und meine Frau nicht minder", schrieb er einem Freund. Er verkaufte das Unternehmen für eine Million Franken an eine Gruppe von einheimischen Geschäftsleuten.

Seinen Lebensabend verbrachte der kinderlos gebliebene Henri Nestlé im Stil eines reichen Landadeligen. Er kaufte eine herrschaftliche Villa hoch über dem Genfer See und zeigte sich in der Öffentlichkeit ausschließlich in weißer Kleidung. 1890 starb er kurz vor seinem 76. Geburtstag nach einer kurzen Krankheit.