"Denn auch Laschets politisches Schicksal ist von dem Ergebnis der Wahl abhängig", sagt ein Bundesvorstandsmitglied. Derzeit werden in der Union deshalb nach Angaben von einem halben Dutzend Gesprächpartnern drei Szenarien diskutiert - auch wenn sich in dieser heiklen Phase des Wahlkampfes niemand offen äußern will.

1. SZENARIO - DIE UNION WIRD STÄRKSTE KRAFT


Sollte die Union entgegen der Umfragen der vergangenen Tage doch noch stärkste Fraktion im Bundestag werden, wird nach übereinstimmenden Meinungen ein Umsturz in der CDU ausbleiben - trotz weiter schwelender Unzufriedenheit einiger Unions-Politiker mit der Person Laschet und dem Kurs der Partei. "Aber oberste Pflicht ist dann die Regierungsbildung", sagt ein anderes CDU-Bundesvorstandsmitglied. Die Besetzung des Kanzleramtes stehe über allem. Also muss der Spitzenkandidat und Kanzler in spe gestärkt werden, selbst wenn das Wahlergebnis weniger als 30 Prozent betragen sollte, was früher als Desaster gegolten hätte.

Dies bedeutet, dass Laschet am Montag nach der Wahl von den Gremien von CDU und CSU Rückendeckung bekommen dürfte. Am Dienstag könnte Laschet dann auf der mit Spannung erwarteten ersten Sitzung der neuen Bundestagsfraktion zum neuen Fraktionschef gewählt werden, heißt es. Denn er müsse dann für beginnende Sondierungen und Koalitionsverhandlungen gestärkt werden, heißt es. Eine Neuwahl in der Fraktion könnte es dann geben, wenn Laschet wirklich eine Regierung zustande bringen und Kanzler würde.

Alternativ wird diskutiert, dass der bisherige CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus zunächst etwa für ein Jahr im Amt bestätigt werden könnte. Er gilt als Unterstützer Laschets, der wiederum sich dann auch um seine Nachfolge in Nordrhein-Westfalen kümmern könnte. Als große Unbekannte gilt, ob frühere Aspiranten auf den CDU-Vorsitz wie Gesundheitsminister Jens Spahn, Norbert Röttgen oder Friedrich Merz dann für den Fraktionsvorsitz kandidieren könnten - was ein Personalgerangel auslösen dürfte.

2. SZENARIO - UNION LANDET KNAPP HINTER SPD


Als offen gilt, was passiert, wenn es zwischen Union und SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit knappem Wahlausgang geben sollte. Denn dann prallten in der Union widerstrebende Interessen aufeinander, heißt es in Fraktionskreisen: die Hoffnung, doch noch den Kanzler stellen zu können, persönliche Ambitionen einiger Beteiligter sowie der Wunsch nach einer Abrechnung. "Es ist völlig unklar, was dann passiert", heißt es in verschiedenen Flügeln der Partei. Vor allem im Laschet-Lager wird betont, dass man den CDU-Chef in einer solchen Situation auf keinen Fall schwächen dürfe, so lange es noch die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung gebe. In der CSU sieht man dies allerdings etwas anders. Es fehle ihm die Fantasie, wie die Union als Zweitplatzierte eine Regierung stellen solle, hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Montag gesagt.

Möglich wäre, dass Laschet zumindest für einen Übergangszeitraum bis zur Bildung einer Regierung entweder durch SPD oder Union in der Führungsposition lässt. Aber dabei dürften dann auch die Unions-Granden aus den Ländern mitdiskutieren: Ganz unabhängig von der Bundesebene müssen sie entscheiden, was für ihre eigene Wiederwahlchancen bei den Landtagswahlen 2022 unter anderem in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie 2023 in Bayern und Hessen besser wäre - ein schneller Neuanfang in der Opposition oder eine Hängepartie mit Regierungsaussicht.

3. SZENARIO - DIE UNION LANDET DEUTLICH HINTER DER SPD


"Wenn das passiert, bleibt kein Stein auf dem anderen in der Union", prophezeit ein Unions-Stratege. In diesem Fall wird erwartet, dass etwa die Unterstützer von CSU-Chef Markus Söder losschlagen - und die Laschet-Unterstützer wiederum der CSU eine Hauptschuld an der Niederlage geben. Am Dienstag ergab eine Civey-Umfrage der "Augsburger Allgemeinen", dass 66 Prozent der befragten Bundesbürger keine ausreichende Unterstützung Söders für Laschet sehen. Der CDU-Chef sei im Falle einer Niederlage aber sofort weg von der politischen Führung, heißt es in der Partei, was auch die Frage eines Nachfolgers an der CDU-Spitze aufwerfe. Die konstituierende Sitzung der somit deutlich dezimierten neuen CDU/CSU-Bundestagsfraktion dürfte dann ein offener Schlagabtausch werden - mit möglicherweise mehreren Kandidaten für den Fraktionsvorsitz und offenem Ausgang über die politische Richtung. Die Union dürfte dann so sehr mit sich selbst beschäftigt sein, dass sie als möglicher Koalitionspartner ohnehin nicht mehr infrage komme, heißt es auch in der FDP.

Bleibt die Frage nach der Zukunft Laschets, der nur über die NRW-Landesliste in den Bundestag einziehen kann. In der NRW-CDU gibt es zumindest Überlegungen, ob man den CDU-Chef bei einem respektablen Ergebnis nicht doch bewegen könnte, bei der NRW-Wahl 2022 erneut zu kandidieren. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident selbst hat aber betont, dass es für ihn in keinem Falle eine Rückfahrtkarte nach Düsseldorf gebe.

rtr