Daneben sieht der Kompromiss einen EU-Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 im Volumen von 1,075 Billionen Euro vor. "Dies ist ein historischer Tag für Europa", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach fast 100 Stunden Verhandlungen. Europa habe gezeigt, dass es in einer besonderen Situation bereit und in der Lage ist, neue Wege zu gehen, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel. An den Finanzmärkten wurde die Einigung positiv aufgenommen. Der Euro stieg zeitweise auf den höchsten Stand seit vier Monaten. Die Bundesregierung kann mit der Einigung einen ersten Erfolg in ihrer halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft einfahren, die Deutschland im Juli übernommen hatte.

Merkel als auch EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen betonten nach der Einigung, dass die EU mit der Einigung aber auch ein Zeichen der eigenen Handlungsfähigkeit in der Welt gesandt habe. "Wir haben vier lange Tage und Nächte durchverhandelt. Aber es war es wert", twitterte von der Leyen. "Das Ergebnis ist ein Signal des Vertrauens in Europa und es ist ein historischer Moment für Europa." Merkel verwies allerdings darauf, dass nun schwierige Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament anstünden. Auch die nationalen Parlamente müssen die Beschlüsse noch ratifizieren.

Macron lobte, dass Deutschland zwar weiter einen Rabatt bei der Finanzierung des EU-Haushaltes erhalten, aber in den Verhandlungen nicht darauf bestanden habe, dass dieser so stark steige wie der für die sogenannten "Sparsamen Vier" Niederlande, Schweden, Dänemark und Österreich. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zeigte sich auch deshalb sehr zufrieden mit den Beschlüssen.

Der Gipfel hatte am Freitag begonnen und sollte eigentlich am Samstag enden, war aber wiederholt verlängert worden. Am 5. Tag des Verhandlungsmarathon gelang den EU-Staaten dann der Durchbruch, nachdem es vor allem am Sonntag erhitzte Debatten zwischen verschiedenen Lagern gegeben hatte. Nordstaaten wie Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden hatten Konditionen für die Milliardenhilfe aus dem Aufbaufonds etwa für Italien und Spanien gefordert, was die Südstaaten zunächst vehement ablehnten. Nun fand man einen Kompromiss, bei dem EU-Kommission, nationale Regierungen und EU-Rat letztlich zusammen über die Auszahlung entscheiden müssen.

Zwischen Ost und West wiederum gab es erbitterte Debatten über die Verankerung des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit an die Auszahlungen aus dem EU-Haushalt. Hier einigte man sich am Dienstagmorgen auf eine Formulierung, die das Rechtsstaatsprinzip im Zusammenhang mit EU-Zahlungen betont - letztlich aber zunächst der EU-Kommission den Auftrag erteilt, genaue Vorschläge vorzulegen, wie man die Prinzipien einhalten kann. Vor allem die Ministerpräsidenten von Polen und Ungarn, Mateusz Morawiecki und Viktor Orban, hatten hier Widerstand geleistet - beide traten nach dem Gipfel auch in einer gemeinsamen Pressekonferenz auf.

Während es bereits umgehend Kritik gab, dass die Rechtsstaatsklausel nun verwässert sei, lobte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte diesen Passus als "den wichtigsten Teil" der Gipfel-Erklärung. Vor allem Rutte hatte sich in den vergangenen Tagen harsche Kritik einiger EU-Regierungen anhören müssen, die ihm mangelnde Kompromissbereitschaft vorwarfen. "Unsere Beziehungen mit den europäischen Partnern bleiben stark", betonte er am Gipfelende.

Die Staats- und Regierungschefs beschlossen zudem, dass die EU eigene Einnahmen erhalten soll. Am 1. Januar 2021 soll etwa eine Plastiksteuer eingeführt werden. Zwei Jahre später soll eine Digitalsteuer und eine CO2-Grenzsteuer für Importe aus Ländern mit weniger Klimaschutzauflagen folgen. Zur Finanzierung der 750 Milliarden Euro für den Corona-Wiederaufbaufonds, soll die EU-Kommission Anleihen aufnehmen. Macron nannte es eine Wende, dass nun gemeinsame Schulden gemacht würden und sich der Etat der EU durch den Aufbaufonds in den kommenden Jahren fast verdoppelt habe. EU-Kommissionschefin von der Leyen sagte, damit sei die Aussicht auf die Erholung der Wirtschaft gewachsen.

Sowohl Merkel als auch Macron, die nach dem Gipfel eine gemeinsame Pressekonferenz gaben, betonten den engen deutsch-französischen Schulterschluss. Innerhalb weniger Wochen sei es zusammen gelungen, völlig neue Projekte wie den Wiederaufbaufonds durchzusetzen. Kritik kam aus dem Europa-Parlament. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber sprach von einem "Sammelsurium von nationalen Egoismen". Es werde jetzt Aufgabe des EU-Parlaments sein, das Vorhaben so zu glätten, dass wirklich etwas europäisches herauskomme, sagte er im Deutschlandfunk. Ferber kritisierte insbesondere, dass im Haushalt Mittel für Zukunftsthemen wie der Forschungs-, Gesundheits- und Flüchtlingspolitik gekürzt worden seien. Das werde langfristig katastrophale Auswirkungen haben.

rtr