Wenn Andreas Scheuer als Bundesverkehrsminister etwas prophezeit, darf man dies erfahrungsgemäß kritisch betrachten. Anfang des Jahres rief er die 2020er-Jahre zum "Jahrzehnt der Schiene" aus. In der Tat aber rückt der Schienenverkehr, der in Deutschland lange stiefmütterlich behandelt wurde, vermehrt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das hat gute Gründe: Das weltweite Bevölkerungswachstum, die zunehmende Urbanisierung und die Bemühungen um den Klimaschutz, insbesondere die Reduzierung des CO2-Ausstoßes in vielen Ländern, sprechen für einen Ausbau des Schienennetzes, seine verstärkte Nutzung und die Instandhaltung weltweit.

Für die börsennotierten Ausrüster von Schieneninfrastruktur und Zulieferer für den Waggonbau wie Vossloh, Knorr-Bremse oder Schaltbau verheißt das volle Auftragsbücher. Die Pandemie belastet die Branche nicht grundsätzlich, sondern meist nur durch Auftragsverschiebungen oder geringere Nutzung von Schienenwegen und -fahrzeugen. Das wirtschaftliche Umfeld für die Branche erscheint daher rosig: Bis 2030 sollen allein 86 Milliarden Euro ins deutsche Schienennetz investiert werden. Von den angekündigten gewaltigen Investitionssummen sollten sich Anleger aber nicht überwältigen lassen.

Zunächst braucht es Zeit, bis die Gelder tatsächlich fließen. Solche Summen geben Staatsbetriebe wie die Deutsche Bahn oder die öffentliche Hand nicht über Nacht aus. Ähnliches gilt für die meisten anderen Länder, die nun verstärkt in die Schieneninfrastruktur investieren. Außerdem werden die Milliarden nicht nur in das Schienennetz oder in Züge investiert, es werden auch Bahnhöfe modernisiert, Tunnel und Brücken gebaut oder renoviert.

Dennoch bleibt noch viel Geld für das Netz. Allein für dieses Jahr hatte sich die Deutsche Bahn vorgenommen, 1.800 Kilometer Gleise und mehr als 1.900 Weichen zu erneuern. Die ICE-Flotte soll von 303 Zügen in diesem Jahr auf 421 bis 2026 wachsen.

Trendwende zur rechten Zeit

Mit Zügen hat Vossloh nichts mehr am Hut. Die defizitäre Lokomotivensparte hat der Bahntechnikanbieter an die chinesische CRRC verkauft und damit im Sommer dieses Jahres eine längere Umbauphase abgeschlossen. Nun können sich die Sauerländer auf das Geschäft mit der Infrastruktur konzentrieren.

Dass der Umbau bei Vossloh gelungen scheint, belegen die guten Zahlen für die ersten neun Monate des laufenden Geschäftsjahrs. Der operative Gewinn (Ebit) stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 31,9 Millionen Euro auf 54,5 Millionen Euro. Die Ebit-Marge verdoppelte sich nahezu auf 8,8 Prozent - das Jahresziel bei dieser Kennziffer wurde sogar leicht angehoben. Hoffnungsvoll stimmen auch die vollen Auftragsbücher. Nach neun Monaten des laufenden Geschäftsjahrs ist das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz in allen Unternehmenssparten größer als eins und beträgt im Konzern insgesamt 1,16, deutet also auf einen wachsenden Markt für Vossloh hin.

Zulegen dürfte primär das Geschäftsfeld Instandhaltung von Strecken, vor allem wenn das Schienennetz aufgrund des Einsatzes von digitaler Leit- und Sicherungstechnik stärker als bisher ausgelastet werden kann. Mehr Verkehr bedeutet eben auch höherer Verschleiß und steigender Wartungsbedarf. Hier arbeiten die Sauerländer auf technisch sehr hohem Niveau.

Breite Aufstellung

Knorr-Bremse, der Weltmarktführer bei Bremssystemen und Subsystemen wie Klimaanlagen oder Türen für Schienen- und Nutzfahrzeuge, bedient zwei getrennte Märkte. Das gibt dem Geschäft Stabilität. Das Nutzfahrzeugsegment ist für 47 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Das Schienensegment, das für 53 Prozent des Umsatzes und 65 Prozent des operativen Gewinns steht, hat überwiegend staatliche Auftraggeber und ist gekennzeichnet durch meist lang laufende Lieferverträge. Zudem sind in diesem Segment die Markteintrittsbarrieren für neue Konkurrenten aufgrund von Normen und Zulassungsvorschriften sehr hoch. Das sichert die errungene, gerade auch in China sehr gute Marktposition von Knorr-Bremse.

Das wachsende und margenstarke Sekundärmarktgeschäft dürfte sich in den kommenden Jahren ebenfalls positiv auf die Erträge auswirken. Ein weiterer Treiber ist sicher die zunehmende Digitalisierung des Schienenverkehrs, im Besonderen der Ausbau des europäischen Zugkontrollsystems (ETCS), das Züge und Subsysteme fernüberwacht und steuert.

Diversifizierter Nischenspieler

Der Schaltbau-Konzern entwickelt und liefert weltweit Systeme und Komponenten für die Verkehrstechnik und konzentriert sich auf Marktsegmente mit wenigen Wettbewerbern. Absatzmärkte sind neben dem Schienenverkehr zu kleineren Teilen auch der Automobilsektor und die Industrie. Die Firmentochter Bode ist in Europa die Nummer 2 bei Bahn- und Bustüren. Die Schaltbau GmbH gilt als Weltmarktführer für elektromechanische Komponenten. Pintsch, der dritte Unternehmensbereich, bietet Bahnübergangstechnik und Systeme zur Gleisüberwachung. Die Aussichten in diesem Konzernbereich sind gut, ebenfalls beim Ausbau des ETCS-Systems mit dabei zu sein.

Bei Pintsch stieg der Umsatz in den ersten neun Monaten des Jahres um mehr als 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, der Auftragseingang wuchs um fast zehn Prozent. Die kleinste, aber am dynamischsten wachsende Unternehmenseinheit SBRS setzt Züge instand und baut Ladestationen für Elektrobusse.
 


INVESTOR-INFO

Vossloh

Weichen auf Wachstum

Der Kurs der Vossloh-Aktie kannte seit dem Frühjahr 2011 nur eine Richtung: nach Süden. Fundamental haben sich nun offenbar etliche Parameter zum Besseren gewendet. Der Aktienkurs hat die positive Unternehmensentwicklung noch nicht nachvollzogen. Auch die grundsätzlich starke Investitionssituation im Bereich Schiene ist noch nicht berücksichtigt. Mittelfristig hat die Aktie entsprechend Luft nach oben und dürfte den Anlegern auch langfristig Freude bereiten.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 42,00 Euro
Stoppkurs: 29,00 Euro

Knorr-Bremse

Auf lange Sicht stabil

Positionierung und Geschäftsmodell stimmen. Das Marktumfeld spricht für Knorr-Bremse und steigende Gewinne. Allerdings könnte Großaktionär Heinz Hermann Thiele den Kurs belasten. Er hat sich mehrfach von größeren Aktienpaketen getrennt und könnte das wieder tun. Denn noch immer hält er einen Anteil von knapp unter 60 Prozent. Gleichwohl bietet das Papier langfristig orientierten Anlegern Potenzial.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 125,00 Euro
Stoppkurs: 85,00 Euro

Schaltbau

Profiteur der Digitalisierung

Als einer der führenden Player in seinen spezialisierten Märkten dürfte Schaltbau einen auskömmlichen Teil der ausstehenden Investitionen in die Schiene gewinnen. Mit seinen Töchtern ist der Konzern diversifiziert genug, um Durststrecken durchzustehen. Insgesamt liefert Schaltbau eine solide organische Wachstumsstory, die durch die Ausweitung der bestehenden Anwendungen auf neue Kunden dynamischer wird. Vielversprechend, aber nicht ohne Risiko.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 32,00 Euro
Stoppkurs: 21,00 Euro