Kürzlich nahm die Polizei in Hongkong mehr als 50 Oppositionelle fest. Ihnen wird vorgeworfen, gegen das von der Volksrepublik China eingeführte nationale "Sicherheitsgesetz" verstoßen zu haben. Es war die größte Verhaftungswelle seit Einführung des Gesetzes. Nur wenige Tage davor hatte die EU ein umfassendes Handelsabkommen mit Peking beschlossen. Forciert von Bundeskanzlerin Angela Merkel, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, zwischen den Jahren, mittendrin im Corona-Chaos.

In Peking wurde der Deal beklatscht. In den USA und Großbritannien ist man dagegen irritiert. "Das Timing wirft Fragen auf", schreibt die New York Times. So kurz vor der Amtseinführung des kommenden Präsidenten Joe Biden und angesichts der Radikalität Chinas im Umgang mit Hongkong. Denn eigentlich wollten sich doch die USA und die EU gemeinsam um eine Linie gegenüber China bemühen.

Worum geht es also? Dass sich Deutschland und die EU vor der Wirtschaftsmacht China wegducken, ist letztlich nichts Neues. Zwar gibt es immer mal wieder halbherzige Kritik, doch genauso oft ist die Regierung mit "hochrangigen Vertretern der Wirtschaft" per Flieger unterwegs nach Peking, um dort gut Wetter zu machen oder Deals einzutüten. Salbungsvollem Mahnen folgt oft entgegengesetztes, opportunistisches Handeln. Diese ganz eigene Art der Appeasement-Politik ist sogar nachvollziehbar, da China für die EU nach den USA zweitwichtigster Handelspartner ist. Und für Deutschland sogar der wichtigste. Ist es also zynisch, dass man sich so ein Geschäft nicht gefährden will?

Die Börse spiegelt das alles ganz gut wider. Noch immer ist der Handelsplatz Hongkong wichtiger Dreh- und Angelpunkt für internationale Investoren, um in das Wachstumsmodell China zu investieren. Gleichzeitig wird aber - politisch gewollt - die Zusammenarbeit der Börsen Hongkong, Shanghai und Shenzhen immer enger. Die greneigezüberschreitenden Geldflüsse steigen kontinuierlich. Richtung Volksrepublik.

Gut zu sehen ist der Wandel auch an den in Hongkong notierten Aktien. Vor zehn oder 20 Jahren noch bestand der 1969 gegründete Aktienindex Hang Seng überwiegend aus Unternehmen, deren Geschäftsmodell stark mit der ehemaligen Kronkolonie verbunden war. Da war die Bank HSBC beispielsweise. Oder der Mischkonzern Hutchison Whampoa, der inzwischen gar nicht mehr gelistet ist. Heute dominieren dagegen ganz klar China- Aktien den Index. Das sind unter anderem Tencent, Alibaba und Ping An Insurance. Oder auch Newcomer wie etwa Xiaomi, ein Hersteller von Tech-Gadgets, der 2018 an die Börse kam. Die Folge: Der Verlauf des Hang Seng ähnelt immer mehr dem Verlauf des Hang Seng China Enterprise, einem Index, der einst dafür angelegt wurde, um die Entwicklung von Aktien mit großem China-Geschäft wiederzugeben.

Seit dem 1. Juli 1997 gehört Hongkong wieder zu China, sollte aber nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" regiert werden: Mit einem hohen Maß an Autonomie und vielen Freiheiten, vertraglich festgelegt für 50 Jahre, bis 2047. Seit das Sicherheitsgesetz verabschiedet wurde, sieht es aber mehr nach "ein Land, ein System" aus. Das Gesetz stellt Kritik an China unter Strafe und richtet sich gegen Aktivitäten, die China als subversiv, separatistisch oder terroristisch ansieht. Das ändert alles. Um einer Verhaftung oder Repressionen zu entgehen, wandern daher inzwischen viele aus Hongkong ab.

Das Vorgehen Chinas ist eine Machtdemonstration. Und es ist eine Kampfansage an den Widersacher auf der anderen Seite des Pazifiks: die USA. Präsident Xi Jinping hat einst die Vision formuliert: eine Welt, zwei Reiche. China und die USA teilen sich demnach alles auf.

Kampfansage an die USA


Und danach sieht es aus: China hat gegen Ende 2020 einen Pakt mit 14 weiteren asiatisch-pazifischen Staaten geschlossen, darunter Australien und Japan, durch den die Zölle verringert und der Handel erleichtert werden soll. Gleichzeitig erstellten die USA eine schwarze Liste mit chinesischen Unternehmen - darunter der Chipkonzern SMIC und die Ölfirma CNOOC -, die zu stark mit Chinas Militär verbunden seien und die in letzter Konsequenz vom Börsenhandel in New York ausgeschlossen werden sollen. Knapp 140 Unternehmen sind das, die in Form von sogenannten American Depositary Receipts (ADRs) gehandelt werden. Das Delisting dreier Unternehmen wurde schon in die Wege geleitet: Seit dem 11. Januar können China Telecom, China Mobile und China Unicorn nicht mehr an der Wall Street gehandelt werden. Zudem gibt es Gerüchte, dass Alibaba und Tencent, die beiden teuersten börsennotierten Unternehmen Asiens, auf die Liste gesetzt werden.

Anleger sollten das im Auge behalten. Auch weil Peking die Tendenz hat, den Unternehmen des Landes die Flügel zu stutzen, wenn sie denn zu groß oder zu aufmüpfig werden: So gibt es seit Kurzem eine kartellrechtliche Untersuchung gegen Alibaba. Passend dazu wurde der Börsengang der Finanzgesellschaft Ant Group, einer Alibaba-Tochtergesellschaft, kurzerhand gestoppt. Besser also das Risiko streuen. Beispielsweise mit einem Fonds wie dem Pictet TR - Mandarin. Oder tendenziell eher Aktien etwas kleinerer Unternehmen kaufen als die Megakonzerne: etwa die oft bei BÖRSE ONLINE besprochene JD.com.