"Bei Deutschland ist die Triebfeder der Warenhandel", sagte Ifo-Ökonom Steffen Henzel. Allein von Januar bis Juli habe Deutschland für 133 Milliarden Euro mehr Waren exportiert als importiert. In die Leistungsbilanz fließen neben dem Warenaustausch noch sämtliche anderen Transfers mit dem Ausland ein, von Dienstleistungen bis zur Entwicklungshilfe. Der gesamte Leistungsbilanzüberschuss dürfte 2014 auf 200 Milliarden Euro klettern. "Ein neuer Rekordwert", sagte Henzel. 2013 waren es 192 Milliarden Euro, 2012 rund 196 Milliarden Euro. Die Summe entspreche 7,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Die EU-Kommission stuft Werte von dauerhaft mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend ein. Da Deutschland seit Jahren über dieser Grenze liegt, wurde die Bundesregierung im März von Brüssel gerügt. Gleichzeitig wird ihr empfohlen, mehr zu investieren und so die Binnennachfrage zu stärken. Auch das US-Finanzministerium prangerte die deutschen Überschüsse als Risiko für die weltweite Finanzstabilität an, da Ländern mit hohen Überschüssen solche gegenüber stehen, die ihre Importe über Schulden finanzieren müssen.
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"DAUERHAFT KEIN GUTES GESCHÄFTSMODELL"
Das Ifo-Institut sieht die enormen Überschüsse ebenfalls kritisch. "Im Umfang der Leistungsbilanzüberschüsse entstehen Forderungen gegenüber dem Ausland", sagte Henzel. "Per Saldo gewährt die deutsche Volkswirtschaft also einen Kredit an das Ausland." Auf Dauer sei es kein gutes Geschäftsmodell, so viel Kapital im Ausland anzulegen. Das Geld fehle für Investitionen im Inland.
Mit einer schnellen Verringerung des Überschusses sei allerdings nicht zu rechnen, zum einen, "da die deutschen Exporteure ihre relative Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten", wie Henzel sagte. Zum anderen sei "kein massiver Zustrom ausländischen Kapitals und damit höhere Waren-Importe nach Deutschland zu erwarten".
Reuters