"Die Stimmung in den deutschen Chefetagen ist euphorisch." Die Führungskräfte beurteilten ihre Geschäftslage so gut wie noch nie seit der Wiedervereinigung und bewerteten die Aussichten für die kommenden sechs Monate noch besser als zuletzt.





Die Daten fielen wesentlich besser aus als erwartet. Ökonomen hatten mit einem Rückgang auf 114,9 Zähler gerechnet. Der Euro legte nach den Zahlen zu und auch der Aktienindex Dax weitete seine Gewinne aus. "Aber so langsam fragt man sich, ob der Ifo-Index die tatsächliche Konjunkturlage noch so exakt widerspiegelt wie in der Vergangenheit", sagte Uwe Burkert, Chefvolkswirt bei der Landesbank LBBW.

EURO, BREXIT UND TÜRKEI DERZEIT KEINE AUFREGER



Von einer "ausgelassenen Partystimmung" bei den Firmen sprach Thomas Gitzel von der VP Bank aus Liechtenstein. "Selbst die Aufwertungen des Euro können die Stimmung nicht dämpfen." Ifo-Experte Klaus Wohlrabe sagte zu Reuters, die Betriebe sähen darin kein Hindernis. "Die Unternehmen haben eine gewisse Routine, mit Wechselkursschwankungen umzugehen. Man kann das gut wegstecken, gut kompensieren, weil das Geschäft gut läuft." Seit April hat der Euro zum Dollar um rund zehn Prozent aufgewertet. Das verteuert Waren europäischer Anbieter auf dem Weltmarkt.

Aus der Ruhe bringen lassen sich die Unternehmen nach Wohlrabes Worten auch nicht von der US-Politik oder vom holprigen Start der Brexit-Verhandlungen. Da weiter unklar sei, wie der EU-Ausstieg Großbritanniens verlaufe, warteten die Manager ab. "Die deutsche Wirtschaft lässt sich im Moment von so gut wie gar nichts beeindrucken." Die angespannte Situation in der Türkei habe für die Unternehmen in der Bundesrepublik ebenfalls "keine Auswirkungen", auch wenn das Thema Rechtssicherheit "eine sehr große Rolle" spiele, so der Ifo-Ökonom. "Das Spiel mit dem Feuer und die Drohgebärden schaden eher der Türkei." Jede Firma werde sich größere Investitionen dort überlegen, wenn es an Vertrauen mangele. "Das wird die Türkei mit Verzögerung merken. Das wird als Bumerang zurückkommen."

RISIKO AUTOBAUER



Ökonom Gitzel warnte jedoch, die Kartellermittlungen gegen die deutsche Autoindustrie könnten durchaus zu einem breiten Stimmungsdämpfer werden. Komme es zu Beweisen und zu Sammelklagen, könnten die Autobauer den Rotstift ansetzen. Dies träfe dann auch die Zuliefererindustrie und den Mittelstand. "Möglicherweise wird also die Party empfindlich gestört."

Derweil läuft es in der Industrie aber noch blendend. Hier schnellte der Teilindex ebenfalls auf einen Höchstwert und auch der Optimismus für das nächste halbe Jahr legte zu. Im Großhandel ging es bergauf, während sich die Stimmung der Einzelhändler eintrübte - aber auf hohen Niveau.

Der Bauboom, die Konsumfreude und anziehende Exporte kurbeln derzeit Europas größte Volkswirtschaft an. Die Bundesregierung erwartet 2017 ein Wachstum von 1,5 Prozent, das sich im nächsten Jahr dann auf 1,6 Prozent beschleunigen dürfte. Viele Ökonomen sind hier allerdings noch einen Tick optimistischer.

Deutschland profitiert auch davon, dass es den Nachbarn besser geht. Die konjunkturelle Erholung im Euro-Raum greift laut EZB-Direktor Yves Mersch immer mehr um sich. Mit den jetzigen Impulsen stiegen die Chancen, dass der Aufschwung stärker ausfalle als erwartet, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Europäischen Zentralbank in Singapur.

rtr