Das an den Finanzmärkten als Gradmesser für das Auf und Ab der Wirtschaft geschätzte Ifo-Barometer zum Geschäftsklima kletterte auf 99,2 Punkte von 96,6 Zählern im April und damit noch stärker als von Experten erwartet: "Die deutsche Wirtschaft nimmt Fahrt auf", sagte Ifo-Chef Clemens Fuest zu den am Dienstag vorgelegten Umfragedaten.

Die Münchner Forscher rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung im Frühjahr um 2,6 Prozent zulegen wird und das Plus im Sommer sogar noch etwas höher ausfallen dürfte. Die Chancen stehen laut Bundesbank gut, dass die Konjunktur bereits im Herbst das Vorkrisenniveau überschreiten wird.

Selbst die durch Lockdowns arg gebeutelte Tourismusbranche hofft angesichts der Impffortschritte auf ein gutes Sommergeschäft. Genug Geld für Urlaubsreisen und Konsum haben die Deutschen jedenfalls auf der hohen Kante. Sie haben in der Pandemie so viel beiseitegelegt wie noch nie, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Mit den Lockerungen des Lockdowns werde die Mischung aus solider Einkommensentwicklung und einer geringeren Sparquote dem Konsum "einen ordentlichen Impuls verleihen", sagte Dekabank-Ökonom Andreas Scheuerle. "Die Infektionszahlen sinken deutlich und die Weltwirtschaft floriert, aus diesen Zutaten ist das Feuerwerk der Geschäftserwartungen gemacht."

HÖHERE PREISE KEHRSEITE DER MEDAILLE


Wie aus der Ifo-Umfrage hervorgeht, stieg die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe nur leicht. "Wermutstropfen sind die hohen Einkaufspreise für Vorprodukte und Rohstoffe", erläuterte Ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe. "Steigende Kosten werden zunehmend weitergegeben: Immer mehr Unternehmen geben an, dass sie ihre Verkaufspreise erhöhen wollen." Damit zeigt sich die Kehrseite der Medaille des Aufschwungs nach Abklingen der Pandemie: Denn nicht nur die Erzeuger- , sondern auch die Verbraucherpreise ziehen an. Höhere Kosten für das Tanken und Heizen hatten die Jahresteuerungsrate im April so stark steigen lassen wie seit zwei Jahren nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten im Schnitt 2,0 Prozent mehr. Der für europäische Vergleichszwecke berechnete sogenannte Inflationsrate HVPI stieg sogar auf 2,1 Prozent. Diese wird nach Einschätzung der Bundesbank zunächst langsam weiter steigen und könnte zum Jahresende vorübergehend vier Prozent erreichen.

Probleme meldet laut Ifo der eigentlich boomende Bau. "Der rapide Anstieg der Rohstoffpreise wird zu einem ernsthaften Problem", sagte Wohlrabe. 39,4 Prozent der Bauunternehmen gaben an, dass sie Probleme bei der Materialbeschaffung haben. "Die Engpässe haben das Potenzial, die Baustellen im Sommer zum Erliegen zu bringen", sagte Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB): "Unsere Unternehmen befürchten Baustellenstopps und Kurzarbeit."

Im Dienstleistungssektor hellte sich die Stimmung laut Ifo hingegen deutlich auf: Es wurde der höchste Wert seit Februar 2020 erreicht. Die Erwartungen im Bereich Tourismus und Gastgewerbe seien im Mai geradezu "explodiert", so Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Die dritte Corona-Welle sei wohl gebrochen und die Stimmung in den Unternehmen steige im Einklang mit dem Impffortschritt, sagte die KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Generell sei die Stimmungsaufhellung aber noch mit Vorsicht zu interpretieren, mahnte Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Es bestünden weiterhin Lieferkettenprobleme, und mehr als vor der Krise bleibe die Wirtschaft vorerst auf Impulse aus China und den USA angewiesen.

Zu Jahresbeginn war das BIP wegen des Corona-bedingten Konsumeinbruchs um 1,8 Prozent geschrumpft, nachdem Ende 2020 immerhin ein Plus von 0,5 Prozent herausgesprungen war. Deutschland ist damit vergleichsweise schlecht ins Jahr 2021 gestartet: Die Euro-Zone schrumpfte nur um 0,6 Prozent, während die weltgrößte Volkswirtschaft USA auch wegen rascher Impffortschritte um 1,6 Prozent wuchs. "So bitter die neuerlichen wirtschaftlichen Rückschläge im ersten Quartal waren, es sind vorerst die letzten gewesen", ist sich der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, sicher.

rtr