"Die Geschäftsunsicherheit ist gestiegen." So trübt sich die Stimmung der Firmen in Deutschland wegen des voraussichtlich längeren Teil-Lockdowns weiter ein, wie am Dienstag aus der monatlichen Umfrage der Münchner Forscher unter 9000 Managern hervorgeht. Der Ifo-Index fiel im November um 1,8 auf 90,7 Punkte und damit das zweite Mal in Folge. "Für die deutsche Wirtschaft wird der Herbst ungemütlich", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe zu Reuters. "Deutschland droht eine technische Rezession, das Winterhalbjahr wird hart", warnte auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer.
Die Manager beurteilten den Ausblick für ihre Geschäfte deutlich pessimistischer und ihre Lage etwas schlechter als zuletzt. Das Ifo bezeichnete die Industrie als Lichtblick. "Ihre Lage hat sich deutlich verbessert", sagte Wohlrabe. Die Exporterwartungen der Betriebe liegen allerdings wieder leicht im negativen Bereich. Grund sei der Shutdown bei wichtigen Handelspartnern, vor allem in Europa. Der BDI rechnet 2020 in Deutschland mit einem Produktionsminus der Betriebe von zehn Prozent. "Die Corona-Pandemie hat eine scharfe Industrierezession ausgelöst", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
Viele Dienstleister leiden enorm unter dem Teil-Lockdown seit November, den Bund und Länder bis zum 20. Dezember verlängern wollen. "Die Indikatoren im Bereich Hotels und Gastgewerbe sind regelrecht abgestürzt", sagte Ifo-Chef Fuest. "Es wird eine triste Adventszeit: geschlossene Restaurants, keine Weihnachtsmärkte, keine Weihnachtsfeiern, kein Wintersport", ergänzte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. Auch der kleine Hoffnungsschimmer bei der Industrie werde "nicht reichen, um eine erneute Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal zu verhindern".
KONJUNKTUR-JOJO: VON SOMMER-BOOM ZU WINTER-REZESSION
Dabei hatte sich die Wirtschaft im Sommer mit einem Rekordwachstum von 8,5 Prozent vom coronabedingten Einbruch um 9,8 Prozent im Frühjahr erholt. Die Verbraucher steigerten ihre Ausgaben massiv um 10,8 Prozent zum Vorquartal, der Staat erhöhte seinen Konsum um 0,8 Prozent. Unternehmen investierten 16 Prozent mehr in Maschinen und Anlagen. Schwung kam auch vom Außenhandel. Denn die Exporte kletterten um 18,1 Prozent und damit stärker als die Importe mit 9,1 Prozent. Trotz der Aufholjagd lag die gesamte Wirtschaftskraft im dritten Quartal vier Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Beim Blick nach vorne sind viele Fachleute skeptisch. "Insgesamt scheinen die Unternehmen die Verschlechterung der Geschäftsaussichten für die nächsten Monate stärker zu gewichten als die zuletzt positiven Nachrichten über einen Impfstoff", sagte Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt der Bank Unicredit. Commerzbank-Experte Krämer prognostizierte für 2021: "Erst die wärmeren Temperaturen im Frühling und die Impfungen werden die Wirtschaft vor allem in der zweiten Jahreshälfte deutlich anziehen lassen." Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erwartet allerdings, dass noch in diesem Jahr die ersten Bürger in Impfzentren gegen das Corona-Virus geimpft werden können.
rtr