Der Ifo-Geschäftsklimaindex als wichtigster Gradmesser für die Konjunktur und die Stimmung in den Chefetagen sank im Oktober um 1,2 Zähler auf 97,7 Punkte. Dies ist bereits der vierte Rückgang in Folge, wie das Münchner Institut am Montag zu seiner Umfrage unter 9000 Führungskräften mitteilte. "Lieferprobleme machen den Firmen zu schaffen", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Sand im Getriebe der deutschen Wirtschaft hemmt die Erholung." Die Bundesbank erwartet 2021 deutlich weniger Wachstum der Wirtschaft, die dieses Jahr ihr Vorkrisenniveau nun doch nicht mehr erreichen werde.
Die Managerinnen und Manager beurteilten ihre Lage und die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate skeptischer als zuletzt. "Insbesondere die Erwartungen sind immer mehr von Skepsis geprägt", betonte der Ifo-Chef. Die Stimmung in der Industrie trübe sich erneut ein und die Kapazitätsauslastung sinke. Im Verarbeitenden Gewerbe wolle etwa jedes zweite Unternehmen wegen der zuletzt stark gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten an der Preisschraube drehen, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. "Das ist ein Rekordwert." Auch mehr als jeder zweite Einzelhändler strebe Preiserhöhungen an. Die Materialengpässe kämen auch zunehmend im Handel an. "Es gibt Lieferprobleme im Einzelhandel, nicht jedes Weihnachtsgeschenk wird lieferbar sein", warnte Wohlrabe.
Die Materialknappheit sorgte dafür, dass die deutsche Wirtschaft nach einer Aufholjagd zum Ende des Lockdowns nun wieder mehr Nachwehen der Virus-Pandemie spürt. In der Folge kappen viele Fachleute ihre Konjunkturprognosen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). "2021 insgesamt dürfte das BIP deutlich weniger zulegen als in der Juni-Projektion der Bundesbank erwartet", erklärte die deutschen Zentralbank in ihrem Monatsbericht. Sie hatte bisher ein Plus von 3,7 Prozent veranschlagt - wie die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Diese senkten ihre Schätzung für dieses Jahr vor kurzem bereits auf 2,4 Prozent Wachstum. Auch der scheidende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier dürfte bei der Vorlage der Regierungsprognose am Mittwoch ähnlich vorgehen.
ENDE 2021 DROHEN MAUES WACHSTUM UND "STAGFLATION"
Sinkt der Ifo-Index drei Mal hintereinander, sprechen Experten von einer konjunkturellen Trendwende. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht den vierten Rückgang nun als Warnsignal. "Die Unternehmen ahnen, dass die Politiker auf die stark ansteigenden Corona-Infektionen mit neuen Beschränkungen reagieren werden." Zudem führe die neue Corona-Welle vor allem in Asien zu Fabrikschließungen, was den Materialmangel hierzulande verschärfen werde. "Die deutsche Wirtschaft dürfte im vierten Quartal kaum noch wachsen", betonte Krämer. Zumindest für Ende 2021 zeichne sich eine "Stagflation" ab - also eine Mischung aus stagnierender Konjunktur und steigender Inflation.
Ifo-Experte Wohlrabe rechnet für das laufende Quartal nur noch mit rund 0,5 Prozent Wachstum: "Der deutschen Wirtschaft steht ein ungemütlicher Herbst bevor." LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch sieht die Ifo-Daten auch als Wink an die angehenden Ampel-Koalitionäre in Berlin: "Zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft sind tunlichst zu vermeiden."
Der Materialmangel bei wichtigen Vorprodukten wie Halbleitern ruft derweil die Industrie-Lobby auf den Plan. Der BDI ruft nach staatlichem Geld auf europäischer Ebene, um eine stärkere Unabhängigkeit auf dem Chipmarkt zu ermöglichen. "Die gezielte Förderung von Schlüsseltechnologien ist unverzichtbar", heißt es in einem BDI-Papier.
Bei den Dienstleistern und im Handel verschlechterte sich das Geschäftsklima im Oktober, während sich die Stimmung am Bau erneut verbesserte. Die deutsche Wirtschaft war wegen der Corona-Krise Anfang des Jahres um zwei Prozent geschrumpft, dann aber im Zuge der Lockdown-Lockerungen im Frühjahr um 1,6 Prozent gewachsen. Im Sommer-Quartal gab es laut Volkswirten ein Plus von 2,2 Prozent. Die Daten werden am Freitag veröffentlicht.
rtr