Deutschland hat einen riesigen Schuldenberg angehäuft. Und wie das mit Schulden nun mal so ist, muss man sie auch begleichen. Das gilt für Privatpersonen und Unternehmen ebenso wie für Staaten. So muss die Bundesrepublik allein im Jahr 2022 Anleihen, Schatzanweisungen und Obligationen im Wert von 354,5 Milliarden Euro tilgen. Das entspricht in etwa der gesamten Wirtschaftsleistung (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) von Argentinien in einem ganzen Jahr.
Dass Deutschland diese Schulden pünktlich und komplett zurückzahlen wird, daran bestehen keinerlei Zweifel. Es ist eines der wenigen Länder weltweit, das von allen drei großen Ratingagenturen (S & P, Moody’s, Fitch) die bestmögliche Note überhaupt erhält. Das ist für Anleger zwar beruhigend zu wissen, hat aber auch seinen Preis. Und zwar in Form der Rendite: Wer in deutsche Staatsanleihen investiert, der muss, mal abgesehen von sehr lang laufenden Papieren, negative Renditen hinnehmen. Zumal dann, wenn man die reale Rendite, also unter Einbeziehung der Inflationsrate, berücksichtigt.
Die deutschen Staatsanleihen zeigen damit die Crux der Zinsinvestments: Wer hohe Sicherheit will, muss Renditeverluste hinnehmen. Wer mehr Rendite einfahren möchte, muss spiegelbildlich bereit sein, ein höheres Risiko zu akzeptieren. Dieser Zusammenhang gilt zwar schon immer an den Kapitalmärkten. Aber erst mit den negativen Renditen ist das Anlegern schmerzlich bewusst geworden: Man legt Geld sicher an und verliert einen Teil davon.
Probleme für "alte" Bonds. Daran wird sich 2022 wenig ändern. Im Gegenteil droht den festverzinslichen Papieren noch eine andere Gefahr: Wegen der anziehenden Inflation könnten die Zinsen steigen. Höhere Zinsen aber sind für bereits emittierte Anleihen mit einem festen Zinskupon Gift. Um dieses gestiegene Zinsniveau abzubilden, fällt der Kurs des Bonds, dadurch erhöht sich seine Rendite. Dieser Effekt fällt umso stärker aus, je länger die Laufzeit eines Bonds ist. So würde eine deutsche Staatsanleihe mit einer Laufzeit von rund 20 Jahren (zum Beispiel ISIN DE0001135432) um 27 Prozentpunkte fallen, wenn das Renditeniveau um einem Prozentpunkt zulegen würde.
Was bedeutet das für Anleger im Jahr 2022? Zum einen, dass Papiere mit allzu langer Laufzeit keine gute Wahl sein dürften. Und zum anderen, dass Anleger mit Bonds gut aufgestellt sein werden, die einen variablen Zinskupon bieten. Denn solche Kupons sind an einen Referenzzins, etwa den Euribor für drei Monate, gekoppelt. Steigt nun dieser Zins, so legt auch der variable Kupon der Anleihe zu und vermeidet so Kursverluste.
Das gilt etwa für die Anleihe von Südzucker. Deren Zinskupon setzt sich aus dem Drei-Monats-Euribor plus eines Aufschlags von 3,10 Prozentpunkten zusammen. Weil der Euribor derzeit negativ ist, entspricht dies aktuell rund 2,5 Prozent. Die Anleihe ist allerdings nachrangig und entsprechend mit einem höheren Risiko verbunden. Zudem kann unter gewissen Umständen, die an den Cashflow des Unternehmens gebunden sind, die Zinszahlung ausfallen.
Daneben können Anleger auch mit Fremdwährungsanleihen die Rendite nach oben schrauben - wenn die jeweilige Währung zum Euro aufwertet (im umgekehrten Fall drohen allerdings Verluste). Spannend könnte die norwegische Krone sein, weil die norwegische Zentralbank laut ihrem Fahrplan die Leitzinsen im Jahr 2022 nach oben anheben will. Höhere Zinsen machen eine Währung aber als Anlageziel attraktiver und sorgen so nicht selten für eine Aufwertung. Das Gleiche können Anleger auch beim kanadischen Dollar hoffen: Der Wirtschaftsdienst Bloomberg geht in seinem vierteljährlich erscheinenden Notenbank-Ausblick davon aus, dass die Bank of Canada die Leitzinsen im Jahr 2022 anheben wird. Wer sein Investment breiter auf Eurobasis streuen will, setzt auf Anleihefonds, die in mehr oder weniger riskante Bonds investieren.
Tages- und Festgeld. Wer die Börse umgehen will, der schaut sich Tages- und Festgeldkonten an. Aber auch hier ist die Lage nicht besonders rosig. Denn die Hoffnung, dass im Jahr 2022 die Zinsen für Sparkonten steigen, können Marktkenner wie Max Herbst, dessen FMH-Finanzberatung seit über 30 Jahren Zinsübersichten erstellt, nicht teilen. Er verweist auch auf die Situation der Banken, die momentan schlicht kein Geld von Kunden benötigen. "Die wissen schließlich auch nicht, was sie damit anfangen sollen", sagt Herbst.
So stehen Menschen, die auf Tagesgeld und Festgeld setzen wollen, oder alle, die ihre Reserve parken möchten, mit der sie unvorhergesehene Reparaturen bezahlen wollen, vor einer unlösbaren Aufgabe. Angesichts einer Inflation von vier, zuletzt sogar sechs Prozent sind alle Sparangebote von Banken, Sparkassen und Versicherungen nichts weiter als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Wer derzeit 1000 Euro beim Tagesgeldkonto mit den höchsten Zinsen anlegt, hat nach einem Jahr zwar 1002 Euro, die aber eingedenk der Inflation nur noch eine Kaufkraft von etwa 950 Euro haben. Bei Angeboten mit niedrigerem oder leicht negativem Zins sieht die Rechnung noch finsterer aus.
Es bleibt also nichts weiter, als Schadensbegrenzung zu betreiben. Denn selbst Offerten, bei denen man das Geld länger als ein Jahr bindet, rentieren sich kaum. Ab drei Jahren liegt der Festgeldzins bei guten Anbietern über einem Prozent, dann flacht die sogenannte Zinskurve ab. Fünfjähriges Festgeld bringt bei einem Top-Anbieter gerade einmal 1,2 Prozent Zinsen. Das reicht noch lange nicht, um wenigstens die Kaufkraft des angelegten Geldes zu erhalten.